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Gesellschaft

Kippa-Debatte schlägt hohe Wogen

26. Mai 2019

"Der Staat hat zu gewährleisten, dass Religionsausübung ohne Einschränkungen möglich ist", betont Innenminister Seehofer. Er reagiert auf Mahnungen, Juden sollten besser nicht jederzeit und überall eine Kippa tragen.

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Bonn: Tag der Kippa - Yitzhak Yohanan Melamed
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

"Es wäre nicht hinnehmbar, wenn Juden ihren Glauben in Deutschland verstecken müssten", erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. Und er ergänzte: "Angesichts der Entwicklung antisemitischer Straftaten müssen wir besorgt und wachsam sein."

Zuvor hatte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, empfohlen, Juden sollten besser nicht jederzeit und nicht überall in Deutschland die Kippa tragen. Er begründete die Entwicklung mit einer "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung". Das Internet und die sozialen Medien hätten dazu stark beigetragen, "aber auch die fortgesetzten Angriffe auf unsere Erinnerungskultur", sagte Klein.

"Offenbarungseid"

Der Publizist Michel Friedman bezeichnete die Äußerungen Kleins als einen "Offenbarungseid des Staates". Der frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland verwies auf Artikel 4 des Grundgesetzes, der unter anderem die Religionsfreiheit garantiert. "Anscheinend versagt der Staat, dies allen jüdischen Bürgern im Alltag zu ermöglichen."

Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) zeigte sich besorgt: "Die immer häufigeren Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden sind beschämend für unser Land", sagte sie dem "Handelsblatt". "Rechte Bewegungen greifen unsere Demokratie an und zielen auf unser friedliches Zusammenleben."

Antisemitismusbeauftragter Felix Klein
Sprach eine Warnung aus: Felix KleinBild: Imago Images/epd/C. Ditsch

Starker Anstieg

Mehrere antisemitische Vorfälle hatten zuletzt bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. So war im August in Chemnitz ein jüdisches Restaurant mit Flaschen und Steinen angegriffen worden. In Berlin attackierte im April 2017 ein Syrer einen Kippa tragenden Israeli. Der nicht jüdische Israeli filmte dies und stellte die Aufnahme ins Netz. Der Angreifer wurde zu vier Wochen Arrest verurteilt. In Bonn war im vergangenen Jahr ein israelischer Professor, der eine Kippa trug, von einem jungen Deutschen mit palästinensischen Wurzeln attackiert worden.

Der jüngste Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität wies für das Jahr 2018 insgesamt 1799 antisemitische Straftaten aus, fast 20 Prozent mehr als 2017. 

Großstädtische Gefahr

Der Zentralrat der Juden warnt immer wieder vor wachsendem Antisemitismus und hat auch vom Tragen der Kippa in Teilen von Großstädten abgeraten. So sagte Zentralratspräsident Josef Schuster bereits im Juli 2017: "In einigen Bezirken der Großstädte würde ich empfehlen, sich nicht als Jude zu erkennen zu geben." Die Erfahrung habe gezeigt, dass das offene Tragen einer Kippa oder einer Halskette mit Davidstern verbale oder körperliche Bedrohungen zur Folge haben könne.

Die Kippa, eine kleine kreisförmige Mütze, wird von jüdischen Männern als sichtbares Zeichen ihres Glaubens traditionell den ganzen Tag lang getragen. Das Tragen einer Kopfbedeckung ist nach Angaben des Zentralrats der Juden verpflichtender religiöser Brauch, Basecap oder Hut gehen auch.

haz/wa (dpa, afp)