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Politik

Kirche in Griechenland - Säkularisierung auf Raten

Florian Schmitz Thessaloniki
29. November 2018

In Griechenland ist die orthodoxe Kirche in der Verfassung verankert. Viele Menschen halten fest an diesem Status. Gleichzeitig regt sich Widerstand - auch innerhalb der Kirche.

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Griechenland Metropoliten-Kathedrale
Die Metropoliten-Kathedrale in Thessaloniki - Hier regiert der erskonservative Bischof AnthimosBild: DW/F. Schmitz

Noch ist es leer in der Metropoliten-Kathedrale im Zentrum von Thessaloniki an diesem Sonntagmorgen. Der Gottesdienst beginnt um sieben Uhr und dauert gut drei Stunden. Die meisten Gläubigen kommen gegen halb zehn, pünktlich zur heiligen Kommunion. Vorher ist die Messe eher ein rituelles Erlebnis. Männerchöre singen byzantinische Halbton-Choräle. Instrumente gibt es nicht. Die sind in der orthodoxen Kirche untersagt. Weihrauch liegt in der Luft. Die meisten Menschen beten still für sich. Andere wandern durch den Raum und küssen Heiligenbilder. Gut sichtbar im Raum steht die griechische Fahne.

Die Metropoliten-Kathedrale ist das religiöse Machtzentrum der Stadt. Hier arbeitet und predigt der mächtige Bischof Anthimos, bekannt für seine politischen Tiraden: "Griechenland bedeutet Mazedonien und Mazedonien bedeutet Griechenland!" Ein unverblümter Protest gegen die Athener Schlichtungspolitik im Namenskonflikt mit dem Nachbarland Mazedonien.

Trennung von Kirche und Staat?

In Griechenland ist die Kirche durch den Artikel 3 der Verfassung geschützt. Viele Kleriker nutzen diesen Status als politische Plattform. Auch deswegen sorgt eine Einigung zwischen Ministerpräsident Alexis Tsipras und dem Athener Erzbischof Hieronymus derzeit für Aufsehen. Demnach sollen die festen Bunde zwischen Kirche und Staat gelockert werden. Kleriker würden ihren Beamtenstatus verlieren, die Kirche würde die Gehälter in Zukunft zumindest teilweise selbst zahlen. Der Titel Staatskirche soll beibehalten werden. Gleichzeitig will sich Griechenland per Verfassung als religiös neutral erklären.

Griechenland Priester
Viele Priester in Griechenland nutzen ihr Ansehen bei der Bevölkerung für politische EinflussnahmeBild: DW/F. Schmitz

Eine junge Frau, die aus dem Gottesdienst kommt, sieht das gelassen. "Ich hätte nichts dagegen, wenn Kirche und Staat sich trennen. Das eine ist das Evangelium, das andere ist Politik. Wir sind doch hier nicht im Iran." Ein junger Familienvater, der ebenfalls den Gottesdienst besucht hat, sieht das anders: "Sie wollen die Kirche und das Volk trennen."

Dabei ist die Vereinbarung in ihrer derzeitigen Form weit entfernt von einer endgültigen Trennung. Dazu bedarf es einer Verfassungsänderung und die könne laut Gesetz nur vom Folge-Parlament beschlossen werden, erklärt Konstantinos Papastathis, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Thessaloniki.

Griechenland Konstantions Papastathis
Konstantions Papastathis forscht zum Thema Kirche und StaatBild: DW/F. Schmitz

Auch innerhalb der Kirche besteht kein Konsens, schon allein aus organisatorischen Gründen. "Hieronymus spricht für die Kirche Griechenlands, nicht aber für die Autonome Kirche Kretas oder die Gemeinden auf den Dodekanes-Inseln. Die gehören nicht zur Kirche Griechenlands und Hieronymus hat ihre Vertreter auch vor der Einigung mit dem Ministerpräsidenten nicht gefragt", so Papastathis.

Gegenwind aus den eigene Reihen

Der Theologie-Doktorand Yannis Kaminis sieht wenig Sinn in der Einigung. Die Probleme würden dadurch nicht gelöst. "Wir brauchen einen offenen Dialog. Nicht nur zwischen der Regierung und den Bischöfen, sondern auch unter Einbezug der Gesellschaft." Natürlich sei es wichtig, die Beziehungen zwischen Kirche und Staat neu zu gestalten. Doch das allein reiche nicht. "Das Problem liegt in der Kirche selbst. Sie ist noch nicht in der heutigen Zeit angekommen. Es mangelt an Transparenz und an der Fähigkeit, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen."

Kirche ja, aber ohne politische Einflussnahme? Das wünschen sich viele Griechen. Vor allem dann, wenn Bischöfe sich offen in legislative Prozesse einmischen. "Der Kirche kommt eine institutionelle Funktion im politischen und gesellschaftlichen Leben Griechenlands zu," erklärt Konstantinos Papastathis. "Sie beeinflusst direkt oder indirekt einen nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung. Diese Beeinflussungen sind besonders stark im politischen Sektor. Wenn eine Partei die Stimme der Kirche verliert, dann hat das deutliche Auswirkungen."

Griechenland Priester
Sollten sich der Klerus und die Regierung einigen, müsste die wohlhabende Kirche selbst den Großteil der Gehälter der Priester zahlenBild: DW/F. Schmitz

Öffentlicher Diskurs vs. gelebte Realität

Nicht selten profitieren davon Griechenlands Rechtspopulisten. Der Bischof Amvrosius aus Kalavrita ließ verlauten, nur die faschistische Goldene Morgenröte könne das Land noch retten. Er rief offen zur Gewalt gegen Homosexuelle auf und verkündete, die verheerenden Feuer in der Nähe von Athen in diesem Sommer seien eine Strafe Gottes für den Atheismus des Ministerpräsidenten.

Der Bischof von Chios ließ verlauten es gebe keine Flüchtlinge sondern nur raubende Einwanderer. Anthimos in Thessaloniki rief Gläubige dazu auf, ihre Kinder vom Gaypride fernzuhalten. Es sei die Pflicht der Christen, sich gegen solcherlei Perversionen zu wehren. Doch Äußerungen wie diese werden von vielen Gläubigen inzwischen offen kritisiert. Selbst die Kirche distanzierte sich deutlich von den Aussagen ihrer Bischöfe.

Nikos Panagiotou, Professor am Institut für Medienwissenschaften in Thessaloniki sieht eine deutliche Diskrepanz zwischen den extremen Botschaften einiger Würdenträger und dem Lebensalltag der Griechen. "Die Griechen vertrauen zwar der Kirche als Institution. Auf das tägliche Leben hat das aber wenig Einfluss."

Die Kirche ist keine Person

In der Tat sieht das Leben der Griechen anders aus. Tabuthemen wie Homosexualität brechen auf, auch wenn sich die Auseinandersetzung im öffentlichen Raum oftmals schwierig gestaltet. Das Traditionsempfinden der Griechen in Verbindung mit der Kirche sitze tief, weiß Panagiotou. Gerade in der Debattenkultur werde dies deutlich. "Auch wenn längst nicht mehr so viele Menschen in die Kirche gehen wie früher, genießt sie trotzdem das Vertrauen der Öffentlichkeit." Während der Wirtschaftskrise habe der politische Einfluss der Kirche sogar zugenommen.

In der Tat sind laut einer Umfrage 54 Prozent der Bevölkerung gegen eine verfassungswirksame Trennung von Kirche und Staat - Tendenz steigend. Gerade deswegen sei es wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Kirche keine Einzelperson ist, sagt Konstantinos Papastathis: "Die Kirche ist ein Verbund von Gläubigen. Dieser Verbund ist hierarchisch aufgebaut. Das bedeutet aber nicht, dass ein Bischof alle repräsentiert." Natürlich gebe es homophobe und xenophobe Kleriker wie Amvorsius. Doch längst nicht alle in der Kirche würden dies unterstützen.

Griechenland Religion
Auch im modernen Griechenland spielt das religiöse Leben eine zentrale RolleBild: DW/F. Schmitz

Fest steht: Das Machtfundament der klerikalen Hardliner bröckelt. Gerade junge Gläubige wie Yannis Kaminis verurteilen die Hasstiraden einiger Würdenträger. Immer häufiger treten sie auch öffentlich für eine zeitgemäße Kirche ein, die sich am Leben und nicht am Erhalt der eigenen Macht orientiert.

Porträt eines Mannes mit braunen Haaren und Bart
Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland