1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kirchner und Kirchner

Oliver Pieper29. Oktober 2007

Cristina Fernandez de Kirchner ist zur Präsidentin ihres Landes gewählt worden. "Wir wissen, was fehlt - wir wissen, was getan werden muss" war ihr Wahlkampfmotto. Was sie wissen müsste, kommentiert Oliver Pieper.

https://p.dw.com/p/Bxnj
Bild: DW

"Wir wissen, was fehlt - wir wissen, was getan werden muss." Mit diesem Slogan ging Cristina Fernandez de Kirchner in den Wahlkampf - und daran muss sich die neue argentinische Präsidentin in den nächsten vier Jahren messen lassen.

Die Auferstehung und die Preise

Da muss vor allem die wirtschaftliche Auferstehung des Landes, das noch vor sechs Jahren bankrott war, zementiert werden. Durchschnittlich neun Prozent Wirtschaftswachstum in den letzten vier Jahren sind eine beeindruckende Marke, doch was passiert, wenn die hohen Welt-Markt-Preise für Soja und Fleisch wieder fallen?

Der märchenhafte Aufschwung ab 2003 gehört Nestor Kirchner, doch schon jetzt geht in Buenos Aires die Angst um vor einer erneuten Inflation. Tomaten sind mittlerweile teurer als Fleisch - die Argentinier antworteten darauf mit einem Tomaten-Boykott. Nestor Kirchner hat auf die beunruhigenden Zahlen auf seine eigene Art reagiert - so tauschte er Führungspersonen in der Statistik-Behörde einfach aus und führte neue Berechnungs-Methoden ein, bis die Inflation wieder unter zehn Prozent lag.

Wer profitiert?

Cristina Fernandez de Kirchner muss auch die soziale Ungleichheit in Argentinien weiter bekämpfen. Zwar ist der Anteil der Menschen, die unterhalb der Armuts-Grenze leben, von 40 auf 25 Prozent zurückgegangen, doch vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren die Armen am wenigsten - also ausgerechnet diejenigen, die Fernandez de Kirchner wählten.

Die zweitplazierte Elisa Carrió hat recht, wenn sie sagt, dass die Regierung dabei ist, eine historische Möglichkeit zu verspielen - nämlich Arme in die Mittelklasse zurück zu führen, um so vielleicht einmal auf einer Stufe zu stehen mit Ländern wie Australien oder Neuseeland. Das im Land des Rindfleisches noch immer Kinder an Hunger leiden, wie in den nördlichen Regionen, ist schwer vorstellbar.

Vollmundige Ankündigung

Die neue Präsidentin muss die Korruption bekämpfen. Nestor Kirchner hatte dieser noch vollmundig den Kampf angesagt. Doch mittlerweile kommen Zweifel auf, ob die Regierung Kirchner nicht selbst davon profitiert. Da tauchen 65.000 Dollar im Büro der Wirtschaftsministerin auf - die angeblich nur für private Immobilien-Geschäfte bestimmt waren. Da wird am Flughafen ein Venezolaner festgenommen, der 800.000 Dollar im Gepäck hat - und der in einem vom Staat gecharterten Privatjet saß. Und da kommen Politiker aus dem engeren Umfeld der Kirchners plötzlich zu ungeahnten Reichtümern - die sich so richtig niemand erklären kann.

Cristina Fernandez de Kirchner muss den Führungsstil der Regierung ändern - weg vom Autokratischen, weg von der Politik nach Gutsherrenart. Ihr Mann Nestor hat es geschafft, in den vier Jahren seiner Regierungszeit keine einzige Pressekonferenz zu geben - genauso wenig gab es Sitzungen des Parlaments, Nestor Kirchner regierte einfach mit Dekreten und weihte nur einen ganz engen Zirkel in seinen Entscheidungen mit ein. Unter dem Begriff Sistema K oder Estilo K wurde diese Politik bekannt. Ein System oder Stil, der nur wenig mit einer Demokratie gemein hat.

Der lateinamerikanische Spagat

Und die neue Präsidentin muss wieder mehr Akzente in der Außenpolitik setzen. Nestor Kirchner war als Reisemuffel bekannt, der auch wenig Wert legte auf gute Beziehungen zu den USA. Stattdessen suchte er die Nähe zu Venezuela und Hugo Chavez. Cristina Fernandez de Kirchner, die in der Vergangenheit immer wieder politische Vorträge in den USA gehalten hat, muss versuchen, den schwierigen Spagat vieler lateinamerikanischer Länder zwischen Washington einerseits und Caracas andererseits besser hinzubekommen als ihr Mann.

Wir wissen, was fehlt - wir wissen, was getan werden muss: Wenn Cristina Fernandez de Kirchner das wirklich weiß, dann könnte der nächste argentinische Präsident 2011 wieder Kirchner heißen: Nestor Kirchner.