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Kirgisistan: Journalisten vor Verfassungsreferendum unter Druck

18. Oktober 2007

Am 21. Oktober stimmen die Kirgisen über eine neue Verfassung ab. Während die Staatsmacht für den Präsidenten-Entwurf wirbt, werden kritische Journalisten immer häufiger verklagt und meist zu Geldstrafen verurteilt.

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Staatlicher Einfluss auf elektronische MedienBild: BilderBox

Die Anzahl der Klagen gegen Journalisten nimmt in Kirgisien weiter zu. Beamte der kirgisischen Behörden verteidigen eifrig ihre Ehre und Würde vor Gericht, die Journalisten durch kritische Berichterstattung verletzt haben sollen. Allein im vergangenen Jahr wurden 60 solcher Verfahren verhandelt. Meist sind die Journalisten die Verlierer. In der Regel muss die verklagte Redaktion eine Entschädigung für moralischen Schaden leisten. Die kirgisische Gesetzgebung sieht die strafrechtliche Verantwortung für Verleumdung vor. Auch zurzeit werden mehrere Mitarbeiter von Medien gerade nach diesem Artikel vor verschiedenen gerichtlichen Instanzen des Landes zur Verantwortung gezogen. Bis jetzt ist noch niemand für seine Artikel ins Gefängnis gekommen worden, aber es gibt durchaus Urteile, die Freiheitsstrafen auf Bewährung beinhalten.

Vorwürfe gegen Journalisten

Der Richterin des Obersten Gerichts Kirgisistans, Ajschamal Aschibraimowa, zufolge führen zwei Drittel der Klagen gegen Medienvertreter zu einer Verurteilung: "Das macht deutlich, dass unsere Journalisten oft gegen das Gesetz verstoßen und die Grenzen des Erlaubten überschreiten." Die Journalisten sind aber anderer Meinung. Die Richter in Kirgisistan seien voreingenommen und würden immer auf der Seite der Beamten stehen oder einfach Befehle "von oben" ausführen, sagen Vertreter von unabhängigen Medien.

Vor wenigen Tagen wurde das Urteil gegen die unabhängige Zeitung "Bjelyj parochod" und deren Redakteurin Jelena Awdjeewa gesprochen. Die Strafe ist eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet 1000 Euro. Awdjeewa erklärte, der Direktor der staatlichen Gesellschaft Kraftwerke, Saparbek Balkibekow, habe nach einer Serie von Artikeln über Korruption und Verstöße im Energiesektor Klage eingereicht. Die Journalistin wurde schließlich in Abwesenheit verurteilt. Sie erläuterte: "Ich war verreist. Die Gerichtsverhandlung fand in meiner Abwesenheit statt. Die Richterin kam zu dem Ergebnis, dass in einem meiner Artikel folgende Zeile die Ehre und Würde von Herrn Balkibekow verletzt habe: ‚Das Team um Saparbek hat aber Appetit!‘."

NGO fordert gesetzliche Regelung

Eine der gesellschaftlichen Organisationen, die die Rechte von Journalisten in Kirgisistan verteidigen, ist das Institut des Medien-Vertreters. Es verfolgt derzeit landesweit etwa 70 Verfahren. Die Vertreterin des Instituts, Schamaral Majtschijew, sagte, das Hauptproblem sei, dass kirgisische Beamte mit Entscheidungsbefugnissen keine anderen Pflichten übernehmen wollten, als die, die ausdrücklich im Gesetz stünden. Es gebe aber darüber hinaus Verhaltensweisen, die die Gesellschaft von Personen im Staatsdienst erwarten würde.

"Heute versuchen wir den Gesetzgeber zu überzeugen, dass der Begriff der öffentlichen Person und der Begriff des öffentlichen Interesses im Gesetz geregelt werden müssen. Eine Person, die in der Öffentlichkeit eine wichtige Position einnimmt und zudem vom Geld des Steuerzahlers lebt, muss offen für Kritik sein und diese Kritik auch annehmen können", sagte Majtschijew und fügte hinzu: "Unsere Journalisten sind praktisch in die Ecke getrieben - vom Staat, vom Eigentümer und von der Situation, in der sie sich befinden."

Staat nutzt eigene Medien-Ressourcen

Vor dem Hintergrund des ständigen Drucks auf kirgisische Medienvertreter laufen die Vorbereitungen zum bevorstehenden Referendum über die von Präsident Kurmanbek Bakijew vorgeschlagene neue Verfassung des Landes. Fast alle Fernsehkanäle und Zeitungen sind einbezogen in die Werbung für den Verfassungsentwurf. Viel wird über die Vorteile des neuen Grundgesetzes berichtet. Es werde sich positiv auf die demokratische Entwicklung des Landes auswirken, heißt es. Gleichzeitig bleiben aber die Forderungen der Zivilgesellschaft und der Opposition praktisch ungehört. Der Staat habe alle existierenden Informations-Ressourcen eingespannt, meint die Medienvertreterin Majtschijew: "Das Referendum findet auf Anordnung des Präsidenten statt und der Staat verfügt über große Informations-Ressourcen. Wenn man die Druckmedien betrachtet, so gibt es dort ein gewisses Gleichgewicht, aber die elektronischen Medien sind leichter zu beherrschen."

Für die Annahme der vom Präsidenten vorgeschlagenen Verfassung werben aber nicht nur die von der Staatsmacht kontrollierten Medien, sondern auch verschiedene staatliche Institutionen, darunter auch Organe der lokalen Selbstverwaltung. Fast täglich finden im ganzen Land allerlei Versammlungen mit Mitarbeitern von Behörden und Studenten statt. Verteilt werden Broschüren mit dem Entwurf für die neue Verfassung.

Witalij Katargin, Bischkek
DW-RADIO/Zentralasien, 11.10.2007, Fokus Ost-Südost