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Kistner: "Doping im Fußball hat System"

Chuck Penfold4. Oktober 2015

Offiziell heißt es, es gebe seit Jahren so gut wie kein Doping im Spitzenfußball. Thomas Kistner ist sich da aber nicht so sicher. Im DW-Interview spricht der Sportjournalist über seine Recherchen für sein neues Buch.

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Thomas Kistner Sportjournalist und Buchautor (Foto: Copyright: © Droemer Knaur)
Bild: Droemer Knaur

DW: Thomas Kistner, in Ihrem neuen Buch "Schuss - die geheime Dopinggeschichte des Fußballs" schildern sie die lange Entwicklung des Dopings im Spitzenfußball. Eigentlich es ist ja lange her, dass das ein Thema in der Öffentlichkeit war. Gibt es heute immer noch Doping im Fußball?

Thomas Kistner: Es gibt da ganz viele Fragezeichen, aber zumindest zu einer Feststellung muss man kommen: Es ist schwer vorstellbar, dass in den letzten zehn Jahren einerseits Doping nicht stattgefunden haben soll, auf der anderen Seite aber die Leistungen immer besser geworden sind. Sollte es dennoch so sein und denkt man Mal zwanzig Jahre weiter, dann würden im Jahre 2035 Spitzenspieler wie ein Lionel Messi oder ein Cristiano Ronaldo gar nicht mehr mithalten können, bei dem was da geboten wird - wenn alles sauber ist.

Es wird manchmal von Fußballspielern, Trainern oder Funktionären argumentiert, dass es kein Doping im Fußball gäbe, weil die Anforderungen an die Spieler so komplex seien, dass solche Mittel gar nicht den gewünschten Effekt erzielen würden.

Fläschchen mit anabolen Steroiden (Foto: Andreas Gebert/dpa)
"EPO beispielsweise gibt Luft für die letzten Spielminuten"Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Um dieses Argument außer Kraft zu setzen, braucht man keinerlei Recherchen durchzuführen. Sie werden weltweit keinen vernünftigen Wissenschaftler finden, der sagen würde "Doping im Fußball bringt nichts". Das ist absoluter Schwachsinn. Denken wir einfach mal an EPO. Das ist schlicht und einfach ein Mittel, das einem über die letzten zwanzig Minuten eines intensives Spiels ganz massiv hinweg hilft, indem es die Sauerstoffzufuhr im Blut massiv erhöht. Und dabei wird keine andere Funktion beeinträchtigt. Mit EPO habe ich mehr Luft, auch noch in der 85. Minute, wenn es nochmal um alles geht.

Wie wird gedopt im Fußball? Wird das regelmäßig gemacht, oder nur bei bestimmten Anlässen?

Die Systematik im Fußballdoping besteht darin, dass man auf spezielle Höhepunkte setzt, also dann, wenn es sich rentiert. Ich zitiere Franz Beckenbauer, der das damals sehr treffend beschrieben hat. Natürlich wird nicht ständig gedopt - also jetzt mit meinen Worten-, aber wenn es besondere Spiele sind, wenn es um alles geht, um die großen Siege, da muss man aufpassen, dass nicht der Trainer oder der Manager mal sagt, "jetzt machen wir ein bissl was." Also da ist die Gefahr groß. Das wird auch von Anderen beschrieben.

Warum fliegt es nicht auf, wenn der eine oder andere Spieler gedopt hat? Schließlich wird nach jedem Spiel kontrolliert.

Weil Dopingtests nahezu wirkungslos sind. Gegenfrage: Wie ist es denn möglich, dass tausende von Dopingtests, die an Leuten wie Lance Armstrong, Marion Jones, Jan Ullrich und anderen vorgenommen worden sind, alle negativ waren? Wir wissen, dass sie gedopt haben, und zwar massiv, nicht nur einmal kurz.

Symbolbild: Ein Fuß am Ball (Foto: picture-alliance/dpa/MiS)
"Wirklich unabhängige Kontrollen wären der erste Schritt"Bild: picture-alliance/dpa/MiS

Was könnte man tun um Doping im Fußball effektiv zu bekämpfen?

Der erste Schritt wäre, die Debatte zu führen. Das ist so ein komplexes Thema, dass man die Debatte wirklich mit allen Interessenvertretern führen müsste. Insbesondere bräuchte man eine wirklich unabhängige Kontrolle, die gibt es natürlich nicht. Es ist lächerlich, der Sport kontrolliert sich selbst.

Die World Anti-Doping Agency (WADA) ist auch nicht wirklich beteiligt an Doping-Kontrollen im Fußball…

Nein! Die WADA ist Zaungast bei der Fußball-Weltmeisterschaft! Fußball ist der einzige Sport, der es sich leisten kann, die WADA draußen zu halten. Natürlich, haben sie da Agreements mit der WADA unterschrieben und den WADA-Code in Teilen akzeptiert. Aber eben nur die entscheidenden Formulierungen, die der Fußball benötigt, sind drin. Und ganz wichtig ist, auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft im letzten Jahr waren es FIFA-Leute, die die Untersuchungen durchgeführt haben, und keine WADA-Leute. Und selbst wenn es WADA-Leute gewesen wären, ich glaube nicht, dass, wenn jemand im Spitzenfußball heute dopt, dass er es so macht, dass er gefunden werden kann. Das wiederspricht jeder Lebens- und Berufsrealität im Spitzensport.

Thomas Kistner ist Redakteur der Süddeutschen Zeitung, zuständig für Sportpolitik. Er wurde 2006 "Sportjournalist des Jahres" und unter anderem mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet.

Das Interview führte Chuck Penfold