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Internationale Stadt Bonn

18. Februar 2011

Jahrzehntelang war die kleine Stadt Bonn Hauptstadt der Bundesrepublik. Dann war alles aus: Die Regierung zog nach Berlin. Bonn versank trotzdem nicht in provinzieller Depression.

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Das ehemalige Regierungsviertel von Bonn mit Posttower (l.), UN-Campus und Congress-Center (Foto: dpa)
Bild: DPA

Am augenfälligsten wird die Veränderung Bonns in unmittelbarer Nähe der Deutschen Welle: Wenn zwischen acht und neun um den benachbarten Post-Tower der morgendliche Hochbetrieb einsetzt und massenhaft jüngere Männer zwischen 35 und 40 Jahren - schwarzer Anzug, weißes Hemd - und junge Frauen - Business-Kostüm und Bluse - sich ihren Arbeitsplätzen dort nähern. Forschen Schrittes, Laptoptaschen unter dem Arm, Mobiltelefon am Ohr, streben sie ihren Schreibtischen in der Zentrale des Logistikkonzerns Deutsche Post DHL entgegen. In nichts unterscheiden sie sich von Beschäftigten in Metropolen wie London oder Paris.

Zwischenstopp Bonn

Bonn ist für einige von ihnen wohl nur eine Station auf dem Weg nach Singapur, New York oder Hongkong. Manche bleiben vielleicht ein halbes Jahr, andere aber auch länger. Christopher Wade zum Beispiel. Der gebürtige US-Amerikaner ist Teamleiter Kommunikation bei der Deutschen Post. In einem Austauschjahr als Student hat er hier in Bonn seine jetzige Frau kennen gelernt, 1999 ist er hierher gezogen – "Ich bin geblieben, ohne dass ich das geplant hatte", sagt er. Sein Arbeitsplatz oben in dem transparenten Glasturm gefällt ihm, bei schönem Wetter kann er bis nach Köln schauen, seine Tochter ist in der Kindertagesstätte der Post bestens untergebracht und leben lässt es sich am Rhein auch gut ohne Politik.

Internationales Arbeitsumfeld

Der Bonner Oberbürgermeister, Jürgen Nimptsch, vor dem Alten Rathaus in Bonn (Foto: dpa)
Vor "seinem" Rathaus: OB Jürgen NimptschBild: picture-alliance/dpa

Der zuweilen poppig beleuchtete, weithin sichtbare Post-Tower mit seiner stolzen Höhe von gut 162 Metern hat dem bescheidenen Beethovenhaus längst den Rang als wichtigstes Wahrzeichen der Stadt abgelaufen – hier wird unübersehbar: die einstige Bundeshauptstadt ist zu einem Dreh- und Angelpunkt des internationalen Business geworden. Aber auch viele Entwicklungshilfeorganisationen haben sich angesiedelt und – nicht zuletzt – die Vereinten Nationen, die mit verschiedenen Abteilungen vertreten sind, zum Beispiel dem Weltklimasekretariat.

Stadt mit Flair

Menschen wie Christopher Wade finden gerade das gut. Sein berufliches Umfeld ist international. "In meinem Team arbeiten Deutsche, Rumänen, Philippiner und Kollegen aus Singapur", erzählt er. In seinem Freundeskreis gebe es viele verschiedene Nationalitäten und besonders viele gemischte, also binationale Ehen. "Bonn ist sicherlich keine große Stadt, aber sie hat Flair, sie ist sehr international und vielsprachig. Es gibt hier die International School, es gibt an der Uni Bonn Studenten aus aller Welt und ich treffe überall Eltern, die in internationalen Zusammenhängen arbeiten."

Nostalgie? Überflüssig!

Das ehemalige Regierungsviertel im nordrhein-westfälischen Bonn mit dem Post-Tower (M.) und dem UN-Campus (r.) (Foto: dpa)
Nächtliche Erscheinung: Der Post-TowerBild: picture-alliance/dpa

Die Zeiten, da der so genannte Beamtenshuttle freitags heimwehkranke Angestellte von Ministerien zurück nach Bonn fuhr sind lange vorbei. Man hat sich arrangiert. Die einen sind an die Spree umgezogen, andere haben sich neu orientiert. Denn im Rahmen des 1,4 Milliarden Euro teuren Entschädigungspakets für entgangenen Glanz und Bedeutung sind Bundesinstitutionen an den Rhein verlagert worden und außerdem haben 6 der 15 Ministerien immer noch ihren ersten Dienstsitz hier. Die politische Musik spielt zwar längst in der Hauptstadt – aber abgemeldet ist Bonn damit noch lange nicht. Ehemalige Botschaften wurden schick aufpoliert und haben neue Besitzer gefunden, der alte Plenarsaal wird als Kongresszentrum genutzt, und eine Million Touristen im Jahr zeigen, dass das Interesse an der rheinischen Stadt ungebrochen ist. Fast zwanzig Jahre nach dem Bonn-Berlin-Beschluss scheint in der Stadt niemand den alten Tagen nachzutrauern. Warum auch? Bonn hat zwar viel abgegeben, aber auch viel dazu gewonnen.

Eine Büste von Beethoven im Garten des Beethoven-Geburtshauses in Bonn. Das Erbe des Komponisten Beethoven ist in der Stadt am Rhein überall präsent. (Foto: dpa)
Das Geburtshaus des Komponisten Ludwig van BeethovensBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Millionengrab WCCB

Die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise niedrig, viele moderne Unternehmen haben sich hier angesiedelt, das Kulturleben blüht - wenn da nicht ein paar höchst unerfreuliche und leider auch hausgemachte Probleme wären. Die Stadt und ihre Bürger erleben jetzt etwas für sie Einmaliges: Sie müssen sparen. "Zu den alten Hauptstadtzeiten floss es regelrecht aus dem Geldhahn, jetzt müssen wir Millionen einsparen und haben dazu noch ein Problem mit einem Baukörper", formuliert es Jürgen Nimptsch. Der Oberbürgermeister hat ein Projekt aus Zeiten geerbt, als man auch im kleinen Bonn nur in großen Dimensionen dachte - koste es was es wolle.

Kleines Bonn, großes Problem

Ein "World Conference Center" (WCCB) sollte die Stadt nach dem Verlust des Hauptstadt-Status als Konferenzort attraktiv machen – es war wohl eher eine teure Idee von Wichtigtuern. Alles Unangenehme kam hier zusammen: geschönte oder falsche Zahlen, behördliche Inkompetenz, dubiose Geschäftspartner und kriminelle Machenschaften. Jetzt sitzt man mit einer riesigen Bauruine und einem Berg von Schulden da. Die Bevölkerung ist verstört. Jürgen Nimptsch hat viel zu tun, aber er sagt dennoch: "Ich möchte nicht zu den alten Zeiten zurück – ich lebe lieber jetzt!" Und Christopher Wade im Post-Tower betont: "Ich glaube, es fehlt Bonn erst mal nichts. Nur eines: das Wetter könnte besser sein. Mehr Sonnenschein. Den vermisse ich hier."

Autorin: Cornelia Rabitz

Redaktion: Dеnnis Stutе