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Zu kurz gesprungen

31. Januar 2012

Der EU-Gipfel hat erwartungsgemäß einen neuen Pakt zur Haushaltsdisziplin gebilligt. Viele drängende Fragen bleiben aber unbeantwortet, meint Bernd Riegert.

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Symbolbild Kommentar (DW-Grafik)

Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, im Rest Europas auch gerne als Eiserne Lady dargestellt, ist sich treu geblieben. Sie hatte kleine Schritte in Richtung einer Lösung der Schulden- und Vertrauenskrise angekündigt. Dabei ist es auch geblieben. Die Europäische Union bewegte sich in Brüssel bei ihrem jüngsten Sondergipfel nur zentimeterweise voran, aber immerhin sie bewegte sich. Das von den Finanzmärkten, vom Internationalen Währungsfonds und von der Weltbank geforderte Signal, dass Europa, sprich Deutschland, mehr Geld in den Kreislauf pumpt, um drohende Staatspleiten abzuwenden, ist ausgeblieben. Die Kanzlerin hatte das beim Weltwirtschaftsforum angekündigt und sie hat sich nicht beeindrucken lassen.

Ein weiteres Versprechen

Stattdessen heißt das Signal aus Brüssel an die potentiellen Anleger: Seht her! Wir geben uns einen strengeren Fiskalpakt und versprechen die Haushaltsregeln in Zukunft auch einzuhalten. Ob das die Finanzmärkte beeindrucken wird, ist fraglich. Denn der Fiskalpakt, dessen Name schon irgendwie unangenehm klingt, wird erst sehr langfristig wirken. Bis die so genannten Schuldenbremsen oder goldenen Regeln für einen Ausgleich der Haushalte wirken, werden viele Jahre vergehen. Viele Einzelheiten sind zudem ungeklärt. Der eigentliche Geburtsfehler des Paktes ist aber, dass zwei der 27 EU-Mitglieder gar nicht erst mitmachen. Großbritannien und überraschenderweise auch Tschechien wollen den Pakt nicht unterschreiben. Dennoch, dass überhaupt 25 Staaten mitmachen, ist per se schon ein Erfolg.

Deutsche Welle Bernd Riegert Zentrale Programmredaktion, Querschnittsthemen. Foto DW/Per Henriksen 10.11.2011 DW1_7875
Bernd Riegert, EuroparedaktionBild: DW

Mit diesem neuen Vertrag könnte tatsächlich mehr Schuldendisizplin in Europa Einzug halten, wenn der Pakt und die Strafen, die er enthält, tatsächlich angewendet und durchgesetzt werden. Viele der Verfahrensschritte sind nicht neu, sind bereits geltendes EU-Recht. Der Preis, den Europa für den Pakt zahlt, lautet: Alles wird noch komplizierter. Neben den 17 Euro-Zonen-Staaten, den 27 EU-Mitgliedern jetzt also auch noch die 25 Pakt-Staaten mit sich überlagernden Verfahren und Zuständigkeiten. Wer da künftig wann und mit wem, welche Gipfeltreffen abhalten soll, konnten die Staats- und Regierungschefs nicht klären. Dieser Punkt wurde, wie so vieles andere, in den März vertagt. Zu befürchten steht, dass Investoren außerhalb Europas, die keine Experten für EU-Recht sind, mit den filigranen juristischen Konstruktionen des Paktes nicht viel werden anfangen können.

Keine Antworten auf drängende Fragen

Unterbunden hat Angela Merkel eine weitere Diskussion über kurzfristig notwendige Maßnahmen zur Stabilisierung der Euro-Zone. Das ist ein sträflicher Fehler. Weder über Griechenland noch eine Ausweitung oder Kombination der Rettungsfonds wurde gesprochen. Alles wurde vertagt und verschoben. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), ein Kunstwort für einen europäischen Währungsfonds, wurde zwar vertraglich besiegelt, aber schon heute ist klar, dass sein Volumen mit 500 Milliarden Euro zu klein ist, um Ansteckungseffekte zu verhindern. Nur langsam und mühsam tasten sich die Staats- und Regierungschefs im Irrgarten der Finanzkrise weiter. Manche Maßnahme, die sie in der Vergangenheit beschlossen haben, erwies sich als Flop.

Kann sich noch jemand an den Hebel erinnern, mit dem der Rettungsfonds verdoppelt werden sollte? Davon spricht niemand mehr. Die Investoren trauen dem Modell nicht. War die Beteiligung der privaten Gläubiger an der Sanierung von Schuldenstaaten nicht einmal das Nonplusultra, das Angela Merkel durchgesetzt hat. Jetzt werden Schuldenschnitte zum einmaligen Fehltritt im Falle Griechenlands erklärt, denn die Märkte reagierten mit einem ausgesprochenen Käuferstreik bei Staatsanleihen. Wo sind die 200 Milliarden Euro, die Europa dem Internationalen Währungsfonds leihen wollte? Weihnachten 2011 sollte das Geld eingezahlt werden. Bis heute suchen die Staaten in ihren leeren Kassen.

Das Durchwursteln geht weiter. Die Bundeskanzlerin nennt es, kleine Schritte machen. Sie ist sich treu geblieben. Wie lange das noch gut geht? So lange, wie die Europäische Zentralbank noch mitspielt. Mit ihrer 500 Milliarden-Euro-Spritze an billigen Krediten für Europas Banken hält die EZB das System seit Weihnachten am Laufen. Die EZB spielt im Moment die Schlüsselrolle, kein Fiskalpakt und auch nicht die hohe europäische Politik. Politische Führung sieht anders aus.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Sabine Faber