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Klimaanlagen der Bahn versagen bei Hitze

15. Juli 2010

Erst waren es Einzelfälle. Dann fielen bei sengender Sonne in immer mehr ICE-Zügen der Deutschen Bahn die Klimaanlagen aus. Jetzt gibt die Bahn zu: Die Kühlung in den Zügen macht bei großer Hitze einfach schlapp.

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ICE-Zug vor Sonnenuntergang (Foto: AP)
Für Bahnreisende ist keine Abkühlung in SichtBild: AP

Die Klimaanlagen in vielen Fernzügen der Bahn funktionieren offensichtlich nur bis zu einer Temperatur von 32 Grad Celsius. Das räumte die Deutsche Bahn am Donnerstag (15.07.2010) ein. Nach Angaben des Unternehmens bringen die älteren Fahrzeuge der ICE-1- und ICE-2-Flotte die volle Kühlleistung bei Außentemperaturen bis 32 Grad. Und auch die Anlagen der neuesten Züge (ICE-3) funktionierten nur bis zu einer Temperatur von 35 Grad..

Der Präsident des Eisenbahnbundesamtes, also der Aufsichtsbehörde über den Bahnverkehr, Gerald Hörster, warnte in einem Brief den Bahnvorstand mit Blick auf die Klimaanlagen-Ausfälle davor, seine gesetzliche Sicherheitsverpflichtung zu verletzen: "Die Vorfälle geben hinreichend Anlass zu der Annahme, dass nicht gewährleistet werden konnte, dass die Risiken für die Fahrgäste auf ein verantwortbares und rechtlich zulässiges Maß beschränkt geblieben sind."

Betroffene bitten die Bahn zur Kasse

Inzwischen erwägen die Krankenkassen Regress-Ansprüche gegen die Bahn, falls Versicherte wegen zu großer Hitze im ICE kostspielige Behandlungen im Krankenhaus benötigten. "Wenn wir einen konkreten Fall auf den Tisch bekommen, werden wir Regress-Ansprüche gegen die Bahn prüfen", sagte ein Sprecher der Deutschen Angestellten Krankenkasse in Berlin. Die Kassen seien schließlich zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet.

Bei den Ermittlungsbehörden gingen jetzt erste Strafanzeigen betroffener Bahnreisender ein. Der Inhalt werde zurzeit geprüft, sagte der Bielefelder Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart. Die Behörde ermittelt gegen einen ICE-Zugchef wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung. Es geht um die Frage, ob der Mann den Zug früher hätte anhalten müssen, nachdem die Klimaanlage ausgefallen war. Am Samstag waren mehrere Schüler auf dem Rückweg von einer Klassenfahrt in einem überhitzten ICE-Waggon zusammengebrochen. Neun Jugendliche mussten in Bielefelder Kliniken gebracht werden.

SPD fordert Untersuchungsausschuss

Helfer versorgen Schüler, die in einem ICE wegen defekter Klimaanlage kollabiert sind (Foto: dpa)
Diagnose: Kreislaufkollaps - Ursache: Defekte KlimanlageBild: picture-alliance/dpa

Insgesamt fielen seit dem vergangenem Samstag in 41 Fernzügen die Klimaanlagen aus. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Florian Pronold forderte deswegen einen Untersuchungsausschuss im Parlament. "Wir wollen wissen, ob die Bahn zulasten der Sicherheit gespart hat, welchen Zusammenhang es zu den Hitzeproblemen gibt und wer dafür die Verantwortung trägt", sagte Pronold dem Massenblatt "Bild-Zeitung". Dabei müsse auch die Rolle des Bundes als Eigentümer geklärt werden. Die SPD wirft der Bahn allgemein vor, bei den Betriebs- und Unterhaltskosten zu sparen, um die Bahn an der Börse attraktiver zu machen. Das Unternehmen plant seit Jahren einen Börsengang.

Die FDP warf der Bahn vor, einen "Schildbürgerstreich" zu spielen. "Klimaanlagen, die nur im Winter funktionieren, sind ein schlechter Witz und für deren Kunden völlig inakzeptabel", sagte der verbraucherschutzpolitische Sprecher der Fraktion, Erik Schweickert.

Die Bahn selbst macht den Klimawandel für das Versagen der Klimaanlagen in den ICE-Zügen verantwortlich. "Zum Zeitpunkt der Planung dieser Züge ist niemand davon ausgegangen, dass wir einmal Temperaturen von mehr als 35 Grad in Deutschland haben würden", sagte Georg Brunnhuber, Sonderbeauftragter des Bahn-Vorstandschefs Rüdiger Grube, dem Online-Magazin stern.de.

Bahn: Der Klimawandel ist schuld

Der Hersteller Siemens habe zusammen mit Bombardier die europäische DIN-Norm für Klimaanlagen bis maximal 35 Grad beachtet. "Bis zu dieser Temperatur funktioniert die Technik auch. Wenn weiterhin so heiße Sommer möglich sind, dann wird man in Zukunft die spanische DIN-Norm beachten müssen, die als einzige in Europa Temperaturen bis 40 Grad berücksichtigt", sagte Brunnhuber. Die Bahn bemühe sich darum, den Schaden möglichst rasch zu beheben.

Zumindest vom Wetter her gibt es vorerst keine Entwarnung. Nach den Prognosen der Metereologen soll es in Deutschland weiterhin sommerlich heiß bleiben.

Autor: Martin Muno (mit dpa, afp, apn, rtr)
Redaktion: Reinhard Kleber