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Klimabilanz auf Gleisen

7. Mai 2010

Nachhaltig, ökologisch, klimaschonend – die Bahn wirbt gerne mit ihrem grünen Gewissen: Verglichen mit Auto und Flugzeug spare die Fahrt auf der Schiene ein Vielfaches an CO2. Hält dieses Selbstbild der Realität stand?

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Bild: AP
BdT Deutschland Bahn Dampflokomotive Saxonia in Meinigen
Mit neuen Fahrzeugen Energie sparen - diese Dampflok ist wohl eher etwas fürs MuseumBild: AP

Wenn ein Lokführer mit seinem ICE von Hamburg nach München fährt, kann er so viel Strom einsparen wie eine vierköpfige Familie im Jahr verbraucht. Es kommt schlichtweg auf seinen Fahrstil an. Das zeigt, welche Energiemengen es braucht, um sich mit dem Zug einmal durch Deutschland zu bewegen. Dabei ist es nicht nur die Fahrt selbst, auch Bahnhöfe, Signalanlagen und die Herstellung der Fahrzeuge sind kräftig am CO2-Ausstoß beteiligt. Die Energiemengen, die nötig sind, damit jeden Tag alle Züge ihre Zielorte erreichen, sind gigantisch.

Energieverbrauch verringert

Verglichen mit anderen Verkehrsmitteln kann sich die Energiebilanz der Bahn dennoch sehen lassen. Das liegt laut Manfred Treber, Klimaexperte bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, auch daran, dass sie ihren Energieverbrauch deutlich verringert hat: "In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Bahn da um fast vierzig Prozent verbessert", so Treber. Das liege vor allem an neueren Fahrzeugen, energiesparendem Fahren und höheren Auslastungen. Mittlerweile ist die durchschnittliche CO2-Emmission, also der Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases, beim Bahn-Fernverkehr rund dreimal niedriger als beim Auto. Im Vergleich mit Flugzeug und Lastwagen steht die Bahn sogar noch besser da.

Deutschland Tarifvertrag Verkehr Bahn Deutsche Bahn Streik S-Bahn Hamburg
Fährt schon jetzt mit Öko-Strom: Die S-Bahn HamburgBild: AP

Doch gibt es ein grundsätzliches Problem bei solchen Gegenüberstellungen: Es handelt sich immer um Durchschnittswerte, die wenig über den Einzellfall aussagen. Ein voll besetzter Regionalexpress ist natürlich wesentlich klimafreundlicher als ein fast leerer ICE, und auch beim Auto macht es einen großen Unterschied, ob nur der Fahrer oder eine fünfköpfige Familie mitfahren. Ein Beispiel: In einem durchschnittlich besetzten ICE "verbraucht" jeder Fahrgast umgerechnet rund 2,5 Liter Benzin auf 100 Kilometern. Im Schnitt verbraucht ein Auto knapp acht Liter und befördert dabei 1,5 Personen, das macht pro Person also rund 5,5 Liter. Da ist der Zug also eindeutig im Vorteil. Doch auch Peter Westenberger, Leiter der DB-Umweltinformation, gibt zu: "Wenn das Auto wirklich voll besetzt ist, was natürlich nicht so oft vorkommt, kann der Energieverbrauch geringer sein als der eines Zuges."

Viel Kohle - wenig Öko-Strom

Auch wenn sich in Sachen Energieverbrauch bei der Bahn in den vergangenen Jahren viel getan hat, der Strom stammt meistens noch aus Kohle, Gas und Atomenergie. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Energiemix liegt bei unter 20 Prozent. Für den Germanwatch-Experten Treber ist das noch "eindeutig zu wenig", denn damit unterscheidet sich die Bahn kaum von der öffentlichen Stromversorgung. Doch das soll sich ändern: "Bis 2050 werden wir komplett grün sein", verspricht Westenberger. Die meisten anderen Länder in Europa sind beim Thema CO2-Ausstoß von Zügen schon jetzt weiter. Nur in einigen osteuropäischen Ländern sieht die Bilanz schlechter aus. Doch zur ganzen Wahrheit gehört: Viele Länder – wie beispielsweise Frankreich – haben günstigere CO2-Werte, weil sie einen deutlich höheren Anteil an Atomstrom haben.

Auf dem Weg in einer grüne Zukunft?

Deutschland Windenergie bei Dorna Windpark
Noch ausbaufähig: Erneuer- bare Energien bei der BahnBild: picture-alliance/ ZB

Zwar werden die Preisunterschiede langsam geringer, mehr Öko-Strom heißt aber auch immer höhere Kosten. So wäre ein amibtioniertes Umweltprojekt in Hamburg, wo inzwischen alle S-Bahnen mit grünem Strom fahren, ohne Zuschüsse der Stadt nur schwer möglich gewesen. Ansonsten heißt die Alternative in der Regel : Die zusätzlichen Kosten für erneuerbare Energien werden an die Fahrgäste weitergegeben, die Ticketpreise steigen. Für den DB-Umweltexperten Westenberger ist die Frage der Wirtschaftlichkeit eine schwierige Gratwanderung: "Uns ist ja auch nicht damit gedient, wenn wir eine feine, komplett CO2-freie Ökobahn haben, die sich keiner mehr leisten kann und die nicht mehr konkurrenzfähig wäre."

Doch vielleicht – so die Hoffnung vieler Klimaschützer – wird sich die Debatte um günstigere Preise oder mehr Klimaschutz in ein paar Jahren schon erübrigt haben. Schon in zehn Jahren könnten sich die Preise von fossiler Energieträgern und grünem Strom angeglichen haben. Wenn auch auf einem weitaus höherem Niveau als heute.

Autor: Jan-Philipp Scholz

Redaktion: Martin Heidelberger