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COP26: Versprechen und mühsame Kleinarbeit

9. November 2021

Hart arbeiten die Verhandlungsteams der UN-Klimakonferenz in Glasgow an schwierigen Details. Die großen Versprechen der ersten Woche lösen unterschiedliche Reaktionen aus.

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Schottland COP26 Demo Glasgow
Bild: Alberto Pezzali/AP Photo/picture alliance

Der Auftritt hatte etwas Symptomatisches für diese UN-Klimakonferenz in Glasgow: Hunderte Journalisten drängelten sich am Montag vor dem Saal, in dem der frühere US-Präsident Barack Obama eine Rede hielt.

Es wirkte ein bisschen, als sei das jetzt ein wichtiger Moment des Treffens von rund 190 Staaten. Aber Obama beließ es bei Appellen, die Not der Länder im Süden nicht zu vergessen. "Die Welt muss sich bewegen - und zwar jetzt", rief er.

Barack Obama I UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow
Barack Obama mahnte in Glasgow, endlich beim Klimaschutz zu handelnBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Greenpeace: "Viel heiße Luft"

Viele Ankündigungen, viele Versprechen, viele Mahnungen. Aber im Kern, bei den eigentlichen, mühsamen Klima-Verhandlungen, gibt es noch wenig Bewegung. Das ist auch die Kritik vieler Umweltaktivisten. Zu Beginn vor gut einer Woche hatten führende Staats- und Regierungschefs in Glasgow gesprochen, darunter US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Unter Federführung der britischen Konferenz-Präsidentschaft waren eine ganze Reihe Versprechen formuliert worden: zum Beispiel, zwischen 2030 und spätestens 2050 ganz auf die Kohle als Energieträger zu verzichten.

Schottland COP26 in Glasgow |
Spielen die führenden Männer der Welt mit dem Weltklima? Klima-Aktivisten in Glasgow sehen das soBild: Scott Heppell/AP Photo/picture alliance

Der britische Konferenz-Präsident Alok Sharma verkündete am Mittwoch: "Eine Koalition mit 190 Akteuren hat heute vereinbart, aus der Kohle-Energie auszusteigen." Tatsächlich fanden sich später auf der Liste weit weniger Staaten.

Jennifer Morgan, Co-Chefin der Umweltorganisation Greenpeace, sagte der DW: "Das ist, glaube ich, ein bisschen gefährlich, weil dabei ziemlich viel heiße Luft produziert wurde. Die britische Präsidentschaft versucht, das als großen Erfolg zu verkaufen."

Germanwatch: "Der Kohleausstieg ist ein großes Signal."

Aber es gab auch positive Reaktionen. Klaus Milke von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch sagte der DW: "Ich finde das erstaunlich ermutigend. Von der Gruppe der G20 her, die ja direkt vor dem Klimagipfel getagt haben, sind deutliche Signale gekommen, dass die Bereitschaft zum Kohle-Ausstieg jetzt höher ist: die Industrieländer bis 2030 und die großen Schwellenländer bis 2040. Das kann das große Signal hier vom Klimagipfel in Glasgow werden."

Auch eine Initiative, bis 2030 rund 30 Prozent des gefährlichen Klimagases Methan einzusparen, wurde von einhundert Staaten verkündet, ebenso eine Initiative zum Schutz der Wälder.

Deutscher Verhandler begrüßt die Initiativen

Die Verhandler der rund 190 Staaten begeben sich derweil zu Beginn der zweiten Woche der Klimakonferenz in die Detailarbeit an den eigentlichen Beschlüssen. Der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth kann den vielen Initiativen der ersten Woche viel abgewinnen.

Er sagte der DW: "Den Schutz der Wälder, die Zusammenarbeit der Stahlindustrie weltweit, die Frage der Reduzierung von Methan. Das finde ich alles gut. Das ersetzt nicht die Verhandlungen, aber es hat dazu geführt, dass wir jetzt ganz gut dabei sind. Und es wird auch die Realitäten in den Ländern verändern."

Detailarbeit am Pariser Klimavertrag

Die offenen Fragen, die die Staaten bis Freitag noch klären müssen, gehen eigentlich alle auf den Pariser Klima-Vertrag von 2015 zurück. Der war vor sechs Jahren unter viel Beifall verkündet worden. Das Versprechen: die Erdtemperatur möglichst um nicht mehr als 1,5 Grad ansteigen zu lassen. Wichtige Details aber, wie das gelingen kann, ließ der Vertrag offen.

Jennifer Morgan vom World Resources Institute UN Klimagipfel
"Ziemlich viel heiße Luft", sagte Greenpeace-Co-Chefin Jennifer Morgan zu Versprechen bei der KlimakonferenzBild: privat

Alle Staaten haben seit Paris eigene Klimaziele. Die sind sehr unterschiedlich und kaum vergleichbar. Wie können sie in Zukunft transparent und verlässlich gestaltet werden? Eigentlich müssten alle Ziele längst nachgebessert werden.

Die Versprechen von Paris reichen jedenfalls nicht aus, das Ziel zu erreichen. Jennifer Morgan berichtet: "Im Moment bin ich sehr besorgt. Es gibt einen ersten Entwurf für einen Entscheidungs-Text am Ende, der keine Klarheit liefert, wie man das 1,5 Grad-Ziel erreichen kann. Und wir sehen, dass Länder wie Saudi-Arabien, Australien und Brasilien sehr erfolgreich dabei sind, wichtige Texte zu blockieren."

100 Milliarden Dollar für die Länder des Südens?

Klar war schon vor der Konferenz, dass das alte Versprechen, 100 Milliarden Dollar bis 2020 für die Anpassung an den Klimawandel in den Staaten des Südens aufzubringen, nicht zu schaffen ist. Jetzt versprechen die Staaten, das Geld bis 2023 aufzubringen.

Hoch komplex ist der Plan, dass die Staaten beim Klimaschutz weiter kooperieren sollen. Aber wer kann sich künftig die Treibhausgas-Minderung etwa durch ein Waldprojekt im Süden anrechnen lassen? Das reiche Land aus dem Norden, das zumeist der Geldgeber ist? Oder das arme Land im Süden, in dem der neue Wald entsteht? Kommt es gar zur doppelten Anrechnung, wie viele Umweltgruppen fürchten?

All das ist noch ungeklärt und bildet doch den eigentlichen Kern der Klima-Gespräche. Ob es zu hier Einigungen kommt, ist völlig offen.

Zwei Realitäten auf der Klimakonferenz

Das lässt viele Vertreter des Südens auf Klimakonferenzen oft verzweifeln. So sprach etwa Mohamed Adow, Leiter der in Nairobi ansässigen Klima-Denkfabrik Power Shift Africa, von "zwei Realitäten" auf Klimakonferenzen: "Eine ist die Welt der Presseerklärungen der britischen Regierung." Die suggeriere: "Alles ist gut und wir haben die Klima-Krise so gut wie besiegt". Die andere Welt aber sei die "außerhalb dieser PR-Blase", fügte Adow hinzu: "Das Klima in kalten harten Fakten."

Schottland Glasgow | COP26 Proteste | Extinction Rebellion
Ein Mitglied der Umweltgruppe "Extinction Rebellion" protestiert gegen den nach wie vor hohen Ölverbrauch etwa in AfrikaBild: Ian Forsyth/Getty Images

Der Leiter der Greenpeace-Delegation in Glasgow, Juan Pablo Osornio, fügte sarkastisch an: "Es ist mir unbegreiflich, dass in den 26 Jahren, die es Klimakonferenzen schon gibt, in den Texten niemals das Wort fossile Energieträger aufgetaucht ist. Das ist wie ein Buch übers Abnehmen zu
schreiben, aber darin nicht übers Essen zu sprechen."

Bis Freitag könnten die Staaten dieses Versäumnis noch nachholen. Ab Donnerstag greifen die Umweltministerinnen und -minister aus den rund 190 Staaten in das Geschehen ein.