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Klimaschutz in der Krise

16. Januar 2011

Der Ausweg aus der Krise ist grün, so hört man oft. Doch die Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig das Klima schützen? Kann das funktionieren? Deutsche Firmen entdecken den Klimaschutz als Chance.

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Symboldbild fallende Aktienkurve vor einem Windrad (Montage: DW)
Klimaschutz in Zeiten der Finanzkrise - das geht!Bild: AP/DPA

Mitten in der tiefsten Wirtschaftskrise seit acht Jahrzehnten wurde 2009 in der italienischen Stadt L´Aquila ein bedeutsamer Beschluss gefasst: Die 16 Länder mit dem größten Treibhausgasausstoß hatten sich in den Abruzzen geeinigt, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Modernes Wirtschaften ist grün

Deutschlands Umweltminister Sigmar Gabriel (Foto: dpa)
Deutschlands Umweltminister Sigmar GabrielBild: picture-alliance/ dpa

Was wenig klingt, bedeutet für die Industrienationen vor allem eines: eine radikale industrielle Kehrtwende. Denn soll das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden, dann muss beispielsweise Deutschland seine Kohlendioxid-Emissionen schon bis 2030 komplett einstellen.

Das heißt: Die Energieversorgung müsste komplett umgestellt werden, aber auch zahlreiche Abläufe in der Produktion. Dabei hat auch die deutsche Volkswirtschaft gerade schwer damit zu tun, die Folgen der Wirtschaftskrise zu überwinden. Und ausgerechnet da soll Klimaschutz in den Mittelpunkt rücken?

Diese Frage wird dem deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel in diesen Wochen oft gestellt wird. Der reagiert dann zumeist verwundert, denn was er erlebe, sei das Gegenteil. "Viele Regierungen, auch die deutsche und die us-amerikanische, sagen: Wenn wir jetzt Milliarden in die Wirtschaft pumpen, dann doch bitte eher dafür, dass wir sie modernisieren", so Gabriel gegenüber DW-WORLD.DE.

Produktionsprozesse sollen effizienter werden, der Energieverbrauch soll sinken, und mehr Energie soll aus regenerativen Quellen gewonnen werden. "Das tun wir in Deutschland, das tun auch die Amerikaner, das wollen die Inder und die Chinesen. Nämlich weltweit den Klimaschutz nutzen, um die Wirtschaft zu mobilisieren - aber in die richtige Richtung."

Nicht alle Maßnahmen ökologisch sinnvoll

Eine Photovoltaik-Anlage in Marburg (Foto: AP)
Eine Photovoltaik-Anlage in MarburgBild: AP

Allerdings scheint die erste Chance vertan: Denn die vielen Konjunkturprogramme, die weltweit zur Stützung der Wirtschaft aufgelegt wurden, sind in den wenigsten Fällen "grün". Am besten schneiden da noch die Südkoreaner und Chinesen ab. Seoul lenkt immerhin gut 80 Prozent der Gelder in ökologische Projekte, Peking rund ein Drittel. So steht es in einer Studie der britischen Bank HSBC.

Anders in Deutschland und den USA: Dort liegt der grüne Anteil nur bei rund 15 Prozent. Allerdings muss man im Falle der Obama-Administration auch einräumen, dass absolut gesehen doch eine Menge Geld in Umweltprojekte fließt, denn das Konjunkturprogramm Washingtons ist gewaltige 970 Milliarden US-Dollar schwer. Hingegen hat die deutsche Umweltprämie für Altautos beispielsweise ihren Namen nicht verdient, weil der Neuwagenkauf nicht mit Umweltauflagen verbunden war.

Deutsche Industrie sieht sich als "green champion"

Dennoch sieht die deutsche Industrie im Klimaschutz vor allem eines: Eine Chance für die einheimischen Unternehmen, die mit grünen Technologien schon jetzt Weltmarktführer sind. Klimaschutz - jetzt nicht mehr oder jetzt erst recht? Diese Frage beantwortet Hans-Peter Keitel, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), mit einem klaren Ja. Selbstbewusst verkündet der BDI, schließlich sei die deutsche Industrie der Problemlöser Nummer eins im weltweiten Klimaschutz.

Windrad vor qualmenden Kraftwerkstürmen (Foto: dpa)
Energieerzeugung von heute: Kohle und WindkraftBild: picture-alliance/ ZB

Klimaschutz als Wachstumstreiber des 21. Jahrhunderts? Das sehen viele so. Dennoch sehen die Unternehmen große finanzielle Belastungen auf sich zukommen, wenn im Rahmen des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten die Zertifikate nicht mehr wie bisher kostenlos verteilt werden, sondern ab 2013 gekauft werden müssen. Michael Hüther, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung in Köln, hat gerechnet. Ab dem Jahr 2027, wenn die Branchen ihre Emissionsrechte in vollem Umfang kaufen müssen, beliefen sich die Belastungen aus dem Emissionshandel bei einem unterstellten Zertifikatepreis von 40 Euro je Tonne auf knapp 10 Milliarden Euro. "Diese Kosten entstehen durch die Auktionierung, obwohl damit keine einzige Tonne CO2 eingespart wird."

Umstrittener Emissionshandel

Symbolbild: Grünes Pflänzchen der Hoffnung (Foto: dpa)
Zu teurer Klimaschutz könnte den Aufschwung abwürgen, sagt die WirtschaftBild: picture-alliance/dpa

Das sind Kosten, die den deutschen Unternehmen international Wettbewerbsnachteile bringen, solange anderswo diese Zertifikate kostenlos bleiben. So gerät die Wirtschaft dann doch in den ewigen Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, ist ein Freund klarer Worte: "Klimaschutz darf nicht missbraucht werden als Abzockmechanismus." Es mache überhaupt keinen Sinn, den Unternehmen Geld zu entziehen und anschließend dann auch noch zu erwarten, dass sie kräftig investieren. "Das Geld muss bei den Unternehmen bleiben, damit die den Spielraum haben, in neue Produkte und neue Verfahren zu investieren."

Aber auch jenseits dieser Diskussion hat die schwere Wirtschaftskrise dem Weltklima genützt: Allein in den 15 sogenannten alten EU-Mitgliedsstaaten ist der CO2-Ausstoß im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent gegenüber 2007 gesunken - zumeist bedingt durch die Rezession. Und auch in diesem Jahr dürfte die Bilanz ähnlich oder sogar besser ausfallen - angesichts teilweise dramatischer Produktionsrückgänge.

Autor: Henrik Böhme

Redaktion: Insa Wrede