1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Klimawandel im Nahen Osten

24. November 2010

Der Klimawandel hat verheerende Folgen - auch im Nahen Osten. Doch die Regierungen der Region sind planlos im Umgang mit dem Problem. Sie reden viel und tun wenig.

https://p.dw.com/p/QFq0
Frauen auf Wassersuche (Foto: Birgit Kaspar)
Die Menschen müssen weite Fußmärsche in Kauf nehmen, um zum nächsten Brunnen zu gelangenBild: Kaspar

Eine typische Straßenszene in Beirut, Kairo oder Damaskus: Ein Hausmeister schwingt gemächlich einen Gummischlauch. Trinkwasser plätschert auf den gepflasterten Hauseingang. Oder den Bürgersteig. Oder gar die Straße. Täglich. Um Staub zu entfernen. Und das in einer Region, in der das Trinkwasser jetzt schon knapp ist wie in keiner anderen. Ein Verbrechen, findet der Umweltexperte der American University in Beirut, Karim Makdissi. Doch niemand verbiete es. "Es sollte illegal sein. Da sollten sofort 200 Dollar Strafgeld fällig sein." Die Politiker kündigten an, über große Wasserstrategien zu sprechen und schafften es noch nicht einmal, diese Wasserverschwendung zu bestrafen, beklagt Makdissi.

Ohne Plan in die Zukunft

Wasserspeicher (Foto: Birgit Kaspar)
Verdunstung ist eines der großen Probleme im Nahen Osten Bild: Kaspar

Zwar dämmert es auch den Regierenden im Nahen Osten, dass der prognostizierte Klimawandel Probleme, unter denen die Region jetzt schon leidet, noch verschärfen wird. Doch gezielte Vorbereitungen oder gar Gegenmaßnahmen sind kaum zu erkennen. Dürren, Anstieg der Meeresspiegel und Überflutungen werden nach Angaben von Wissenschaftlern die wichtigsten Konsequenzen für die arabischen Staaten sein. Die tragen selbst zwar nur in geringem Maße zum weltweiten CO2-Ausstoß bei - dennoch gehören sie zu den am meisten gefährdeten Orten. Doch bei vielen arabischen Politikern lautet die Devise offenbar: Wir haben das nicht verbrochen, also sollen diejenigen für Lösungen sorgen, die verantwortlich sind.

Fluss in Jezzine, Südlibanon (Foto: Birgit Kaspar)
Noch führen einige Flüsse genügend Wasser im LibanonBild: Kaspar

Bereits jetzt gehören rund ein Dutzend arabische Staaten zu den wasserärmsten der Welt. Für das Jahr 2015 wird der Region akute Wasserknappheit vorausgesagt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Arabischen Forums für Umwelt und Entwicklung (AFED) warnt, pro Jahr und Kopf stünden dann im Schnitt nur noch 500 Kubikmeter Wasser zur Verfügung. Der weltweite Durchschnitt liegt derzeit bei 6000 Kubikmetern. Der prognostizierte Anstieg der Temperaturen um rund zwei Grad Celsius bis 2040 - bei gleichzeitig sinkenden Niederschlägen - dürfte die Situation deutlich verschärfen, meint Mohamed el-Ashry, Klimaexperte und ehemaliger Direktor des Global Environment Facility Fonds. "Es ist nur die Frage, in welchem Maße die Bevölkerung betroffen sein wird."

Missstände beseitigen

Dennoch bleiben die Regierungen in der Region untätig, weil sie in erster Linie mit ihrem eigenen politischen Überleben beschäftigt sind. "Der Schlüssel wären Institutionen, die nicht nur die Lage verwalten, sondern einen Langzeitplan erarbeiten und ihn dann umsetzen. Aber die existieren praktisch nicht. Oder sie funktionieren nicht", erklärt el-Ashry. Deshalb gebe es keine Zukunftsvisionen, bevor die Krise akut werde. Doch davor sollten die Regierungen ihre Bürger eigentlich bewahren. Sich um bestehende Missstände zu kümmern, wäre ein erster Schritt.

Ausgetrockneter Wasserkanal in Beit Hujeira/Jemen (Foto: Birgit Kaspar)
Schon jetzt kein Wasser in Beit Hujeira im JemenBild: Kaspar

85 Prozent der ohnehin beschränkten Wasserressourcen werden in der Landwirtschaft verbraucht, auf höchst uneffektive Weise. Rund die Hälfte des Trinkwassers geht in Großstädten wie Beirut, Damaskus und Kairo in maroden Leitungssystemen verloren. Nicht einmal ein Viertel des verbrauchten Wassers wird recycelt. Im Jemen und in Syrien machen sich schon jetzt hunderttausende Landbewohner auf den Weg in die Städte, weil es auf dem Land nicht mehr genug Wasser gibt. Die AFED-Studie zu den Folgen des Klimawandels in der arabischen Welt zeigt, dass der "Fruchtbare Halbmond" - also Syrien, Libanon, Israel/Palästina, Ägypten sowie Teile des Irak - noch vor Ende dieses Jahrhunderts alle Anzeichen dieser Fruchtbarkeit verlieren wird. Doch in den meisten arabischen Staaten gebe es für einige Aspekte dieser Problematik noch nicht einmal Untersuchungen oder Daten, klagt AFED-Generalsekretär Najib Saab. Nur Jordanien, Tunesien und Oman bildeten Ausnahmen.

Absurde Verschwendung

Andernorts geht die Wasserverschwendung munter weiter. Viele Golfstaaten nutzen ihre begrenzten Vorräte kostbaren Grundwassers, um die Wüste zu begrünen. In Saudi-Arabien werden damit Golfplätze bewässert. Der Wüstenstaat Kuwait hat einen der höchsten Pro-Kopf-Wasserverbräuche weltweit. Entsalztes Wasser wird kostenlos abgegeben. Doch die teuren Entsalzungsanlagen erwärmen das Meer und erhöhen dessen Salzgehalt. Gleichzeitig wird recyceltes Brauchwasser wieder ins Meer gepumpt, weil die Kuwaiter seine Wiederverwendung eklig finden.

Die Reihe der Absurditäten ist endlos. Dabei müsste jetzt gehandelt werden, um zu retten, was zu retten ist, warnt Najib Saab. "Aber wenn man hier über Klimawandel redet, meinen die Leute, die Folgen wären nur in anderen Ländern oder auf dem Mond zu spüren. Sie sehen nicht, dass sie selbst unmittelbar betroffen sein werden."

Autorin: Birgit Kaspar
Redaktion: Carolin Hebig