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Klimawandel beeinflusst Weinbau

Karin Jäger (dpa)12. Juli 2015

Kommt der Chianti bald aus dem hohen Norden? Durch die vermehrte Sonneneinstrahlung eröffnen sich neue Lagen - selbst in Skandinavien. Aber der Klimawandel bringt nicht nur positive Effekte für die Winzer.

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Trauben (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance/blickwinkel/N. Dautel

Mark Twain ließ kein gutes Haar am deutschen Wein. Nur durch das Etikett könne man Rheinwein von Essig unterscheiden, klagte der US-amerikanische Schriftsteller anlässlich seiner Europareise. Es muss Wein eines regenreichen Jahrgangs gewesen sein, der Twain offeriert wurde - damals vor 150 Jahren.

Allein im vergangenen Jahr steigerten deutsche Winzer ihren Ertrag gegenüber 2013 um neun Prozent auf 9,2 Millionen Hektoliter gesteigert. Damit liegt Deutschland auf Platz zehn bei den Erzeugerländern. Doch die Rangliste könnte sich bald ändern.

Weinanbau in Skandinavien

Dank Chemie, Keltertechnik und vor allem durch das Klima lassen sich Klasse und Masse in "exotischen" Lagen produzieren. Ein Winzer aus dem hessischen Rheingau hat die Insel Sylt, den nördlichsten Fleck Deutschlands, für sich entdeckt. Alternative zum Weinberg ist eine sonnige Fläche auf Meereshöhe mit lehmigem Sandboden und hohem Humusgehalt nahe der Nordsee.

Weinberg in Hamburg (Foto: dpa)
Nah am Wasser angebaut - Weinberg in HamburgBild: picture-alliance/dpa/B. Marks

Das Hamburger Parlament, die Bürgerschaft, verschenkt Wein "Marke Eigenanbau" an hochrangige Gäste der Hansestadt - kultiviert am 500-Quadratmeter-Weinberg in der Nähe des Hafengeländes. Auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern werden Rebstöcke gepflanzt. Und in Brandenburg will ein Winzer Trauben in einem ehemaligen Kohletagebau zum Wachsen bringen. Damit erlebt der Weinbau auf diesen Breitengraden eine Renaissance. Eine Kälteperiode im Mittelalter hatte nämlich aus Winzern in Norddeutschland eine ausgestorbene Spezies gemacht.

Noch nördlicher, auf der schwedischen Insel Gotland, hat der frühere IT-Experte Lauri Pappinen Weingärten angelegt. Sonne, Wärme, lange frostfreie Perioden, Kalksandstein und der Wind der nahen Ostsee lassen einige Sorten reifen.

Das wäre Anfang der 1990er Jahre noch nicht möglich gewesen. Laut Aufzeichnungen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung sind die Wassertemperaturen um Gotland seither um zwei Grad gestiegen.

Zunehmende Sonneneinstrahlung verändert den Wein

Doch der Klimawandel beschert den Trauben nicht nur mehr Wärme, sondern auch Schädlinge und einen höheren Alkoholgehalt. Im Kampf gegen Krankheiten und Ungeziefer setzen Önologen in den USA, Australien und Frankreich auf Gentechnik.

Weinberg im Rheingau (Foto: dpa)
Keine Gentechnik in deutschen WeinlandenBild: picture-alliance/dpa/Erichsen

In Deutschland werden dagegen nach einem Versuch in der Pfalz 1999 keine gentechnisch veränderten Weinreben mehr gepflanzt. Es gebe inzwischen neue Möglichkeiten in der traditionellen Kreuzungszüchtung, sagte Reinhard Töpfer vom Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen beim Weltweinkongress in Mainz. Außerdem würden transgene Pflanzen von der Öffentlichkeit mehrheitlich abgelehnt.

Neue Rebsorte mit mehreren Resistenzen

Gegen Schädlinge wie die Kirschessigfliege, den Eichenprozessionsspinner und Rebzikaden, die sich bei höheren Temperaturen im Weinberg vermehren, setzt die Politik auf biologische Schädlingsbekämpfung, zum Beispiel auf Lockstoffe.

Und Weinforscher haben die Rebsorte Caladis Blanc entwickelt. Die Traube soll gegen die Pilzkrankheiten Echter und Falscher Mehltau, Botrytis (Schimmelbefall) und Schwarzfäule resistent sein. "Damit lassen sich schöne, spritzige, leichte Sommerweine produzieren", schwärmt Reinhard Töpfer.

Durch die höhere Sonneneinstrahlung entsteht in der Traube mehr Zucker, der sich bei der Gärung in Alkohol umwandelt. Besonders vom höheren Alkoholgehalt betroffen seien Rotweine aus Südeuropa, erklärt Marie-Madeleine Caillet-Desmarest, Önologin aus der französischen Carmargue.

Trauben-Lese (Foto: dpa)
Süß und noch ohne Alkohol - Weintrauben bei der LeseBild: picture-alliance/dpa/M. Bein

Weniger Alkohol erwünscht

Da der Trend der Konsumenten zu leichteren und alkoholärmeren Weinen geht, erforschen Mikrobiologen am Institut für Gartenbau in Geisenheim Möglichkeiten der Alkoholreduktion durch Hefepilze oder das Ausfiltern von Zucker vor der Fermentierung. Allerdings beeinflussen solche Prozesse den Geschmack des Weines.

Während das Aroma keinen offiziellen Richtlinien unterliegt, schreibt die Europäische Union (EU) den Alkoholgehalt vor. Mindestens 8,5 Volumenprozent muss ein Wein haben, um als solcher deklariert zu werden. "Zu wenig", findet Mara Fernandes Moura vom Instituto Agronômico de Campinas (IAC) in Brasilien. Ihrer Meinung nach müssten es mindestens elf Prozent sein. "Ohne Alkohol haben wir noch nur Saft." Was Mark Twain wohl dazu sagen würde?