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Klumb: Stigmatisierung von AIDS-Kranken beenden

Jennifer Fraczek25. Juli 2014

In Australien ist die Welt-AIDS-Konferenz zu Ende gegangen. Großes Thema war die Diskriminierung von Kranken. Sie begünstige die Ausbreitung der Krankheit, sagt Silke Klumb von der Deutschen AIDS-Hilfe.

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AIDS HIV Aids-Schleife
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Der Appell der Teilnehmer der diesjährigen Welt-Aids-Konferenz lautete "Niemanden zurücklassen". Wer wird im Moment bei der HIV/AIDS-Hilfe zurückgelassen?

Klumb: Zurückgelassen werden vor allem Drogenabhängige, Prostituierte und Homosexuelle - und das insbesondere in Regionen, in denen HIV/AIDS besonders verbreitet ist.

Was waren die Themen auf der diesjährigen Welt-AIDS-Konferenz?

Die Welt-AIDS-Konferenz ist immer eine sehr politische Veranstaltung. Es geht nicht in erster Linie um neue Medikamente oder die neuesten Forschungsergebnisse. Das große Thema war, inwiefern Diskriminierung und Stigmatisierung die Bekämpfung von HIV und AIDS behindern. Wir wissen, dass wir in der Eindämmung von HIV/AIDS in vielen Teilen der Welt schon viel erreicht haben. Aber um noch mehr zu erreichen, müssen wir gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-/AIDS-Kranken, aber auch von Drogensüchtigen, Prostituierten und Homosexuellen vorgehen. Menschen, die sich in einer Gesellschaft nicht akzeptiert fühlen, die diskriminiert werden, werden zum Beispiel eher nicht zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus gehen, um einen HIV-Test zu machen. Wir müssen aber mehr von ihnen dazu bringen, sich testen zu lassen, damit sie behandelt werden können und nicht unwissentlich andere Menschen anstecken.

Welche anderen Erkenntnisse brachte die Konferenz, etwa was eine Heilung von AIDS angeht?

Natürlich hoffen alle, dass es irgendwann ein Heilmittel geben wird. Das ist immer noch ein großes Ziel. Aber es wird sicher noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis wir ein "Heilmittel" in dem Sinn haben, dass ein HIV-infizierter Mensch eine gewisse Zeit - vielleicht Jahre - ohne Medikamente leben kann. Der Weg zu einem Mittel, mit dem wir alle 35 Millionen Betroffenen endgültig heilen können, ist noch sehr weit.

Ein vielversprechender Ansatz wurde auf der Konferenz von einem dänischen Forscher vorgestellt. Es geht dabei darum, die HI-Viren, die sich im Körper verstecken, aus ihren Zellen zu locken, um sie dann mit Medikamenten zu eliminieren.

Nach großen Konferenzen wie der Welt-AIDS-Konferenz wird oft beklagt, dass es keinen Durchbruch gab. Wie könnte so ein Durchbruch bei HIV/AIDS aussehen?

Ich denke, in einem politischen Sinn besteht ein Durchbruch darin, dass man sich unter allen Teilnehmern über einige Dinge einig ist: Zum Beispiel darin, dass gegen die Kriminalisierung von Prostituierten und Drogenabhängigen vorgegangen werden muss.

Silke Klumb DAH
Silke Klumb von der Deutschen AIDS-HilfeBild: Johannes Berger,

Wie können solche politischen Ziele in die Praxis umgesetzt werden?

Victoria, einer der Bundesstaaten Australiens, hat es vorgemacht: Dort wurde die Abschaffung eines Gesetzes, das HIV-Infizierte kriminalisiert, angekündigt. Andere Regierungen werden sich das zum Beispiel nehmen. Und bei den nächsten politischen Treffen zum Beispiel auf EU- oder UN-Ebene werden sie gefragt werden: Was habt ihr gemacht, um die Deklaration der Welt-AIDS-Konferenz umzusetzen?

Wie sieht es mit der Verteilung von AIDS-Medikamenten auch an die Ärmsten der Armen aus?

Auch da hat es Fortschritte gegeben. Allerdings bräuchten wir dringend mehr Generika zur AIDS-Behandlung. Es gibt Firmen, in Indien oder Thailand etwa, die Generika herstellen, die sich auch arme Menschen leisten können. Aber die Pharmaindustrie wehrt sich dagegen, dass diese Medikamente überall verteilt werden, weil sie ihre Gewinne in Gefahr sehen.

Was sind die Hauptprobleme für HIV-Infizierte in Deutschland?

Auch in Deutschland gibt es Diskriminierung und Stigmatisierung. Davon abgesehen sehen wir vor allem als Problem an, dass es hier so wenige Drogenkonsumräume gibt, in denen unter hygienisch einwandfreien Bedingungen Drogen konsumiert werden können. Dabei ist es erwiesen, dass sie einen großen Beitrag zur HIV-Prävention leisten. Ein anderes Problem ist der Drogenkonsum in Gefängnissen. Es müssen hier Programme zum Spritzenaustausch her, bei denen alte Nadeln gegen neue, saubere ausgetauscht werden können. Bislang gibt es das nur in einem Gefängnis.

Silke Klumb ist Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe in Berlin.

Das Gespräch führte Jennifer Fraczek.