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Koalition streitet um EU-Stabilitätspakt

24. Oktober 2010

Es soll keine automatischen Strafen für EU-Defizitsünder geben - das wollte Frankreich und Deutschland hat zugestimmt. Doch in der schwarz-gelben-Koalition kritisieren einige diesen Kompromiss - neuer Zwist in Berlin?

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Eine griechische Ein-Euromünze (Foto: picture-alliance/dpa)
Stabiler Euro - aber wie?Bild: picture-alliance/Karl-Josef Hildenbrand

"Mit weichen Strafen gibt es keinen harten Euro", kritisierte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, den ausgehandelten Kompromiss. Der angekündigte Stabilitätshammer drohe so zum harmlosen Wattestäbchen zu werden, sagte Lauk am Sonntag (24.10.2010) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Mit dieser Meinung steht Lauk nicht allein - weder in der eigenen Partei noch beim Koalitionspartner FDP.

FDP will automatische Sanktionen

Der FDP-Vorsitzende und Aussenminister Guido Westerwelle, rechts, laechelt zusammen mit dem neuen FDP-Gerneralsekretaer Christian Lindner, links (Foto: AP)
Wollen härtere Sanktionen: Lindner (links) und Westerwelle (rechts)Bild: AP

Sowohl Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle als auch FDP-Generalsekretär Christian kritisierten die Pläne, die EU-Sanktionen gegen Schuldensünder nicht automatisch zu verhängen. "Europa braucht einen Stabilitätspakt mit Autorität und Durchsetzungskraft", schrieb Westerwelle am Samstag in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Die Welt". Schon das bisherige Verfahren zeige kaum Wirkung bei den Defizitsündern - Sanktionen können erst mit einer Zweidrittel-Mehrheit beschlossen werden. "Strafen für Defizitsünder dürfen nicht einfach politisch verzögert werden", forderte auch Lindner am Samstag in der "Saarbrücker Zeitung".

Gerade die Situation in Griechenland mache deutlich, wie wichtig "schärfere Sanktionsmechanismen" seien, betonte auch der FDP-Finanzexperte Volker Wissing gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. "Deutschland muss ein Interesse am Automatismus bei den Strafen haben."

Deutsch-französisches Abkommen

Nicolas Sarkozy und Angela Merkel (Foto: AP)
Bilateraler Kompromiss: Sarkozy und MerkelBild: AP

Hintergrund des Streits ist eine geplante Reform des EU-Stabilitätspaktes. Krisen wie in Portugal, Irland, Spanien, aber allen voran in Griechenland sollen damit verhindert werden. Die Griechen standen kurz vor dem Staatsbankrott - eine Gefahr für den Euro und die EU insgesamt. Erst als die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) intervenierten, Sparpläne auf- und einen Rettungsschirm bereit stellten, konnte Schlimmeres verhindert werden. So etwas soll nicht noch einmal passieren, die EU will präventiv und strenger gegen Schuldensünder vorgehen. Sie sollen automatisch sanktioniert werden, oder besser: sollten.

Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Nicolas Sarkozy haben sich in Deauville am Montag bilateral auf etwas Anderes geeinigt: Keine automatischen Strafen, sondern eine sechsmonatige Gnadenfrist soll es geben. Das wollte vor allem Frankreich. Deutschland lenkte ein und bekommt nun im Gegenzug die französische Unterstützung für langfristige Anti-Krisen-Maßnahmen. Beispielsweise will die Bundesregierung den Schuldensündern das Stimmrecht im Ministerrat entziehen und einen dauerhaften Rettungsmechanismus für schwächelnde Staaten schaffen. Dafür muss allerdings der Vertrag von Lissabon geändert werden. Die Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten ist hierfür nötig, dürfte allerdings nur schwer zu bekommen sein. Kritiker bemängeln daher auch, dass Merkel mit ihrem Zugeständnis an Frankreich einiges gegeben hat und nun mit leeren Händen dasteht.

Rückendeckung bekam die Bundeskanzlern dennoch von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). "Deutschland hat erreicht, dass wir mehr Stabilität haben als bisher und mehr als viele für erreichbar hielten", sagte Schäuble der "Bild am Sonntag". Er selbst sei an der Ausarbeitung des Kompromisses "stark beteiligt" gewesen. Brüderle betonte gegenüber dem "Spiegel", dass die Bereitschaft der Franzosen, langfristige Maßnahmen zu akzeptieren, bereits ein großer Schritt sei.

EU-Staaten uneins über Reformpläne

Reformvertrag von Lissabon (Foto: AP)
Lange hat es gedauert bis er überhaupt in Kraft trat: der Vertrag von LissabonBild: AP

Doch nicht nur koalitionsintern gibt es große Vorbehalte gegen die deutsch-französischen Pläne. Eine Reihe von EU-Staaten lehnt eine Änderung des Vertrages von Lissabon, nur knapp ein Jahr nach dessen Inkrafttreten, ab. Auf einem Treffen der EU-Außenminister am Sonntagabend in Luxemburg wollen diese darüber beraten - auch als Vorbereitung auf den EU-Gipfel am Ende der kommenden Woche. Dort wollen die Staats- und Regierungschefs endgültig über die Reform des EU-Stabilitätspaktes abstimmen und den EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy damit beauftragen, bis März 2011 konkrete Vorschläge für eine Änderung des Vertrages von Lissabon vorzulegen.

Autor: Nicole Scherschun (dpa, rtr, afp, ap)
Redaktion: Reinhard Kleber