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Koalitions-Einigung in der Ukraine

29. November 2007

Nach zwei Jahren gibt es im ukrainischen Parlament wieder eine "orange Koalition". Wegen ihrer knappen Mehrheit wird ihre Lebensfähigkeit bezweifelt. Experten warnen vor neuen Machtspielen und fordern endlich Reformen.

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Neue Machtverhältnisse im Obersten RatBild: dpa

Kaum ist die Koalition zwischen dem Block Julija Tymoschenko (BJuT) und dem Bündnis Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes (NUNS) gebildet, werden bereits Zweifel laut, wie lange sie existieren wird. Das Mitglied des politischen Rates des Blocks Tymoschenko, der Abgeordnete Josyp Winskyj, befürchtet, dass aufgrund "gewaltigen Drucks" einige Abgeordnete ihre Unterschriften unter dem Abkommen widerrufen könnten. Damit würde die Koalition aufhören zu bestehen. Seine Parteigenossen und Koalitionspartner sind hingegen optimistischer. Sie sind fest entschlossen, am kommenden Dienstag (4.12.2007) für Julija Tymoschenko zu stimmen, die für das Amt der Regierungschefin kandidiert. Auch wollen sie für Arsenij Jazenjuk als Parlamentsvorsitzenden stimmen, der zurzeit amtierender Außenminister ist.

Nico Lange, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine, meint, mit der Koalitionsbildung sei das Problem der Regierungsbildung und der Arbeitsfähigkeit des Parlaments längst nicht gelöst. Er rät zur Vorsicht: "Man kann mehr Aussagen treffen, wenn tatsächlich ein Sprecher des Parlaments und ein Premierminister oder eine Premierministerin gewählt worden sind. Hinzu kommt, dass es eine Koalition ist, die mit 227 Stimmen, mit einer ganz knappen Mehrheit gebildet worden ist." Nach allen Erfahrungen in der ukrainischen Politik sei das nichts, auf das man sich verlassen könne, betont Lange.

Mögliche Koalitions-Manöver

Der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes, Jurij Luzenko, gab bekannt, trotz des endgültigen Abkommens zwischen NUNS und BJuT sei die Koalition offen für neue Mitglieder. Dabei betonte er, das Koalitionsabkommen sehe vor, dass sich der Mehrheit nicht einzelne Abgeordnete, sondern nur ganze Fraktionen anschließen könnten. Deswegen würde man Wolodymyr Lytwyn mit seinen "Kampfgenossen" gerne in der demokratischen Koalition sehen. Lytwyn aber plant dies nicht. Er erklärte bereits, die neue Koalition sei nur formal gebildet worden, faktisch würde sie nicht bestehen.

Diese Meinung teilen die nun oppositionellen Abgeordneten von der Partei der Regionen. Sie sagen der Koalition, die Populismus betreibe, innere Probleme und ein "kurzes Leben" voraus. Der einzige Ausweg, um eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Koalition und Opposition zu erreichen, sei die Wahl von Iwan Pljuschtsch zum Vorsitzenden des Parlaments. Pljuschtsch ist Anhänger einer sogenannten "breiten Koalition". Deswegen unterzeichnete er als einziger Abgeordneter der Fraktion NUNS nicht das Koalitionsabkommen zwischen BJuT und NUNS. Experten meinen, Pljuschtsch, der als Protegé des Präsidenten gelte, könnte einen wirksamen Kompromiss verkörpern. Er könnte aber auch zum Zankapfel innerhalb der Koalition sowie zwischen der Mehrheit und der Opposition werden.

Reformen statt Machtpoker

Nico Lange von der KAS-Stiftung in Kiew rät im Zusammenhang möglicher Konflikte innerhalb der Koalition dem präsidentennahen Bündnis NUNS, sich bewusst zu werden, dass die wichtigste Frage derzeit nicht sei, ob Wiktor Juschtschenko 2009 wieder Staatsoberhaupt wird oder nicht: "Die wichtigste Aufgabe ist jetzt, eine Regierung zu bilden und die anstehenden Reformen in der Ukraine anzugehen. Mir scheint, dass der Streit sich stark um diese Fragen dreht und ein Teil der Partei das Gefühl hat, dass der Präsident eine eigene Agenda hat, die schon in Richtung seiner Wiederwahl geht."

Zu den dringend zu lösenden Problemen, so Lange, gehöre das Gesundheitssystem, von dem jeder wisse, dass es nicht funktioniere. Ferner seien die Rahmenbedingungen für ausländische Investoren nicht dazu geeignet, besonders viele Investoren ins Land zu holen. "Es gibt Probleme mit der Infrastruktur, eine unheimliche Belastung des Staatshaushalts durch Renten und andere Sozialleistungen, auch da muss man strukturell durch Reformen eingreifen", meint Ukraine-Kenner Lange.

Was die wirtschaftliche Situation betreffe, so seien alle Beobachter der Meinung, dass die Entwicklung der letzten fünf Jahre ökonomisch eine sehr gute gewesen sei, aber in den politischen Rahmenbedingungen nun Änderungen vorgenommen werden müssten, um diese stabile Entwicklung aufrecht zu erhalten. "Wenn man sich nur politisch mit der Machfrage und mit der Zuschneidung von Kompetenzen beschäftigt, mit diesen typisch ukrainischen taktischen Spielchen, dann verpasst man wertvolle Zeit und verschlechtert die Chancen der wirtschaftlichen positiven Entwicklung der Ukraine in der Zukunft", warnte Lange.

Lilija Hryschko, Volodymyr Medyany, DW-Ukrainisch