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Koenigs: "Dieses Mandat ist völlig überdimensioniert"

Sven Pöhle18. Dezember 2014

Der Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs hat stets für die Afghanistan-Mandate gestimmt. Die Nachfolge-Mission "Resolute Support" aber lehnt der Grünen-Politiker ab. Im DW-Interview erklärt er, warum.

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Der Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs (Bündnis90/Die Grünen) (Foto: Tom Koenigs)
Bild: imago stock&people

DW: Herr Koenigs. Im Bundestag haben Sie stets für eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr gestimmt - auch gegen die Mehrheit ihrer Fraktion. Der Bundestag hat gerade beschlossen, dass die Bundeswehr für ein weiteres Jahr in Afghanistan bleibt. Sie haben gegen die ISAF-Nachfolgemission "Resolute Support Mission" (RSM) gestimmt. Warum?

Tom Koenigs: Resolute Support ist keine Nachfolgemission. Das ist eine ganz neue Mission und ich halte die Mission in der Personalausstattung, wenn es wirkliche eine Ausbildungsmission sein soll, für völlig übertrieben. Da werden nur 50 Leute zur Militärausbildung genutzt. Dieses Mandat ist mit Kosten von 280 Millionen Euro und 850 Soldaten völlig überdimensioniert. Und außerdem zeitlich nicht begrenzt. Wo das hinführen wird, weiß keiner. Und wo wir in zwei Jahren stehen, auch nicht.

Sind denn die afghanischen Sicherheitskräfte inzwischen in der Lage, selbst für ein Mindestmaß an Sicherheit zu sorgen?

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben die Verantwortung bereits übernommen und ihre Fähigkeiten unter anderem bei den Präsidentschaftswahlen bewiesen. Wir haben 13 Jahre Zeit gehabt, die afghanischen Truppen - das sind inzwischen 350.000, Polizisten und Soldaten - auszubilden. Und zwar mit sehr viel mehr Kräften, als wir sie jetzt einsetzen. Was wir bis jetzt nicht geschafft haben, schaffen auch diese 50 Militärausbilder nicht. Wenn wir stärker Polizei ausbilden - wo ich sehr dafür bin - gibt es sowohl die bilaterale Polizeimission Deutschlands, die dringend Leute braucht, als auch die europäische, die EUPOL. Da kann man sich einbringen. Und sollte es so sein, dass tatsächlich noch 50 oder 100 einzelne Ausbilder an spezifischen Stellen notwendig sind, dann kann man ja ein Mandat zimmern, das genau darauf eingeht.

Wenn es aber darum geht, nur den Flughafen Masar-i-Sharif zu betreiben, halte ich das für falsch. Denn einen deutschen Stützpunkt in Afghanistan brauchen wir nicht. Die Amerikaner verhandeln das mit den Afghanen und haben da andere Vorstellungen. Aber das sind geostrategische Überlegungen, die wir nicht teilen. Dass wir nun Handlanger für CIA-Operationen und Special Forces Operationen von Masar-i-Sharif sein sollen, kann nicht sein. Das sind Einsätze, die meines Erachtens zu viele zivile Opfer gekostet haben. Damit sollte man aufhören.

ISAF und Resolute Support (Grafik: DW)
Von ISAF zu Resolute Support: Deutsche Truppenstärke in Afghanistan

Besteht bei Ihnen die Sorge, dass nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Ähnliches geschehen könnte, wie nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak - mit all den bekannten Konsequenzen?

Nein, die besteht nicht. Es besteht zweifellos ein gewisses Risiko, dass sich der Bürgerkrieg verschärft. Das ist ein asymmetrischer Krieg. Den können aber militärisch auch internationale Truppen nicht beenden. Das müssen die Afghanen selber tun. Die Afghanen müssen die Sicherheit, die sie brauchen, selber schaffen.

Und dabei können deutsche Militärs, die beispielsweise afghanische Offiziere ausbilden, nicht helfen?

Diese winzige Menge von deutschem Militär macht da keinen Unterschied. Unsere zivilen Projekte, die notwendig und wichtig sind, kommen ohne das internationale Militär aus. Das militärische Projekt ist meines Erachtens verfehlt.

Die Sicherheitslage im Land ist an vielen Orten äußerst fragil. Ist ein ziviler Aufbau in Afghanistan möglich, ohne dass es Frieden im Land gibt?

Es wird ja schon sehr viel gemacht. Der zivile Aufbau ist ja auch sehr weit gekommen, wenn man vergleicht, wie es in Afghanistan 2001 ausgesehen hat. Da wurde sehr viel geschaffen. Die Afghanen erwarten von uns Deutschen eigentlich nicht die militärische Aktivität, sondern die zivile, vor allem im Bildungs-, Ausbildungs- und Fortbildungsbereich. Das ist etwas, was die Afghanen von uns Deutschen wollen und was wir Deutsche auch können. Da könnten wir auch noch mehr. Ich finde, diese 280 Millionen jährlich, die jetzt in einer militärischen Mission verwandt werden, wären viel besser in ein langfristiges, ziviles Engagement investiert, das wir zwar versprochen haben, aber das wir dann auch durchhalten müssen.

Tom Koenigs ist Bundestagsabgeordneter der Grünen. Er ist menschenrechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion und Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Von 2006 bis 2007 war Koenigs Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen in Afghanistan.

Der Einsatz zur NATO-Mission "Resolute Support" soll am 1. Januar beginnen. Bis zu 850 deutsche Soldaten sollen sich in Masar-i-Sharif im Norden des Landes und in der Hauptstadt Kabul an der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte beteiligen. Das Mandat ist auf ein Jahr begrenzt.