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Mehr Strom aus Braunkohle

Klaus Deuse8. März 2014

Kohle beschert dem Energiekonzern RWE große Verluste, trotzdem erlebt sie eine Renaissance: Aus Braunkohle wurde 2013 soviel Strom erzeugt wie seit 1990 nicht mehr. Auch Steinkohle wird wieder genutzt.

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Deutschland Energie Braunkohle Kraftwerk Jänschwalde (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/blumenkind

Trotz der Energiewende und der Errichtung von zahlreichen Windkraftanlagen und Sonnenkraftwerken erlebt die Braunkohle eine Renaissance. Dabei gilt Ökologen dieser fossile Energieträger als besonders schädlich für das Klima. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen produzierten Braunkohle-Kraftwerke im vergangenen Jahr rund 162 Milliarden Kilowattstunden Strom - so viel wie seit 1990 nicht mehr, als noch viele alte DDR-Kohlekraftwerke in Betrieb waren. Der Anteil der Braunkohle an der Energieerzeugung liegt derzeit bei knapp 26 Prozent.

Im Kontext der Energiewende zeigt sich Manuel Frondel, der Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), nicht überrascht über den wachsenden Anteil der Braunkohle am Energiemix. "Wir können nicht aus der Atomenergie aussteigen, zugleich eine sichere und kostengünstige Stromversorgung verlangen und auch noch auf die Braunkohle verzichten", sagt Frondel. Schließlich sei Braunkohle sehr kostengünstig und in sehr vielfältiger Weise in Deutschland verfügbar, so dass man auf deren Einsatz nicht verzichten sollte.

Verlustbringer Kohle

Der Anteil der aus Kohle erzeugten Elektrizität ist auch darauf zurückzuführen, dass diese Kraftwerke in großen Teilen die sogenannte Grundlast ersetzen, die früher die Atomkraftwerke geliefert haben. In der Theorie ergeben sich daraus Kostenvorteile für Energieunternehmen. Wenn ein Tagebau erst einmal erschlossen ist, fallen nur noch geringe Produktionskosten an, etwa für den Betrieb der Großraumbagger und Strom für die Förderbänder.

Gaskraftwerk in Irsching, Oberbayern (Foto: dpa)
Gaskraftwerk in Irsching, OberbayernBild: picture-alliance/dpa

Doch in der Praxis schreibt der Energiekonzern RWE Verluste, weil er mit Kohlekraftwerken kein Geld verdient. An den Strombörsen ist der Preis für Kohlestrom im Keller. Weil sich daran in absehbarer Zeit nichts ändern wird, sinkt der Wert der Kohlekraftwerke. Der Konzern musste Milliarden abschreiben.

"Gas ist keine Konkurrenz"

Einige Kohlekraftwerke hat RWE wegen mangelnder Rentabilität bereits stillgelegt, weitere sollen in diesem Jahr folgen. Beim umweltfreundlicheren Gas sieht die es aus Unternehmersicht noch schlechter aus, sagt RWI-Experte Frondel. "Gaskraftwerke lohnen sich nur dann, wenn gerade die Nachfrage nach Strom hoch ist und somit auch der Strompreis relativ hoch ist. Zu anderen Zeiten, wenn die Nachfrage niedrig ist und die Preise niedrig sind, wird kein Betreiber seine Gaskraftwerke anschmeißen, weil er dann Verluste einfährt."

Braunkohle trotzt Energiewende

Wie wichtig der Strompreis für Verbraucher ist, zeigt ein Beispiel aus den Niederlanden. In Deutschlands Nachbarland basiert die Stromproduktion gut zur Hälfte auf Gas. Aufgrund des niedrigeren Preises bevorzugen aber viele Niederländer den billigeren Kohlestrom aus Deutschland mit dem Ergebnis, dass im vergangenen Jahr jede Menge deutscher Strom in die Niederlande floss. Neben Umweltverbänden nehmen auch die Grünen Anstoß an der steigenden Braunkohleverstromung und dem damit verbundenen höheren Ausstoß von schädlichen CO2-Emissionen.

Auch Steinkohleanteil steigt

Für Manuel Frondel vom RWI ist der Emissionshandel ein wichtiges Klimaschutzinstrument. Der Emissionshandel sorge dafür, "dass die CO2-Emissionen in Europa gedeckelt sind. Wenn wir aufgrund des Atomausstiegs in Deutschland mehr Braunkohle verstromen, dann entstehen zwar im deutschen Stromerzeugungssektor mehr CO2-Emissionen." Jedoch nicht in Europa insgesamt, da durch den Emissionshandel anderswo weniger CO2 ausgestoßen werde. Das deutsche Ziel, den Ausstoß von Klima-Gasen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, erscheint Energie-Experten vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jedoch inzwischen kaum noch erreichbar zu sein.

Denn neben der Braunkohle kommt auch wieder mehr Steinkohle in den Kraftwerken zum Einsatz. So kletterte der Steinkohle-Anteil an der Stromerzeugung im vergangenen Jahr wieder auf fast 20 Prozent. Daran dürfte sich nach Einschätzung von Manuel Frondel in den kommenden Jahren kaum etwas ändern. Auch auf Steinkohlekraftwerke, sagt Frondel, könne man nicht verzichten. "Wir haben zwar aktuell einen Anteil von 25 Prozent bei den erneuerbaren Energien beim Bruttostromverbrauch, aber wir sind noch weit weg von den 100 Prozent."

Steinkohlekraftwerk Mehrum in Niedersachsen (Foto: dpa)
Steinkohlekraftwerk Mehrum in NiedersachsenBild: picture-alliance/dpa

Selbst wenn Anlagen für erneuerbare Energien in noch größerem Umfang ausgebaut werden, "ist es aufgrund der Volatilität der Stromeinspeisung, aufgrund der Unsicherheiten bei der Windeinspeisung und aufgrund der Unsicherheiten bei der Sonneneinstrahlung so, dass wir nach wie vor auf konventionelle Kraftwerke lange Zeit angewiesen sind." Dazu gehörten auch Steinkohlekraftwerke - zumindest solange der Steinkohlenpreis am Weltmarkt noch relativ niedrig ist. Auch wenn die letzten Zechen in Deutschland 2018 stillgelegt werden, führe an der Steinkohle bei der Stromerzeugung kein Weg vorbei.

Gedeckt wird dieser Bedarf durch weiter steigende Mengen an Importkohle etwa auch aus Australien. Dass sich die Energiewende langfristig nicht ohne einen hohen Kohle-Sockel realisieren lassen wird, das war für Experten absehbar. Diesen Tatbestand im Zuge der Energiewende scheint die Politik für die öffentliche Wahrnehmung indes nicht ausreichend vermittelt zu haben.