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Kohle statt Tschernobyl-Strom

John Hay18. November 2001

Im Dezember 2000 wurde der letzte Reaktor von Tschernobyl vom Netz genommen. Im Gegenzug hatte die Europäische Union ein "Ersatz-Programm" aufgelegt und setzt dabei auch auf Kohlekraftwerke.

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Siemens baut in der Ukraine Kohlekraftwerke.Bild: AP

Ein Teil des Programms ist es, die Effektivität der altertümlichen Kohlekraftwerke in der Ukraine zu steigern und diese gleichzeitig sauberer zu machen. Als erstes westliches Unternehmen ist die deutsche Firma Siemens dabei, im Konsortium mit drei deutschen Kesselherstellern im nordukrainischen Smijew ein Kohlekraftwerk umfassend zu modernisieren.

Bröckelender Beton

Ukrainische Arbeiter werkeln an einer der zehngewaltigen
Dampfturbinen, die nebeneinander aufgereiht wie schlafende Riesen in der Turbinenhalle des Kraftwerks liegen. Ein Großteil der ukrainischen Kohlekraftwerke wurde in den 60er Jahren errichtet und seitdem nicht modernisiert. Entsprechend sehen sie aus: Der Beton bröckelt allenthalben, dunkle Schmutzwolken tauchen die Schornsteine der Kraftwerke in künstlichen Nebel, selbst an sonnigen Tagen.

Die neue Turbine, die von einem deutschen Konsortium unter der Führung von Siemens in Smijew bei Kharkov installiert wird, entspricht dem neuesten Stand der Technik und soll die Leistung des sogenannten 'Block 8' um rund zwanzig Prozent erhöhen.

Asbest und Kohlestaub

Wie ein Schneemann in weißen Overalls, mit weißem Helm und Atemmaske wandelt Siemens-Baustellenleiter Fred Anklam durch die Halle. Es herrscht akute Asbestgefahr, da die alten Turbinen mit einer dicken Asbestschicht umhüllt sind. Sowohl Asbest als auch die dicken Kohlestaubwolken sind eine Plage für das Land.

Nachdem Block 8 des Smijew-Kraftwerkes fertiggesellt ist, werden 18.000 Tonnen weniger Flugasche im Jahr über das Land niedergehen, so die Planung. Die Emissionen an Schwefeldioxid werde sich um mehr als 2 000 Tonnen vermindern, heißt es. Das Projekt, durch die Bundesregierung mit einer Hermes-Bürgschaft unterstützt, hat Vorbildcharakter. Fritz Anklam: "Der Bedarf hier in der Ukraine ist riesig groß. Es gibt hier insgesamt etwa 40 Blöcke dieser Art und momentan schaut die ganze Ukraine auf dieses Vorhaben."

Neuer Schaltraum

Entscheidend für die Effektivität der Anlage mit einem
Investitionsvolumen von rund 140 Millionen Mark ist auch die neue Leittechnik, die Siemens gerade mit ukrainischen Partnern installiert. Neben einem Schaltraum mit altertümlichen Knöpfen und Hebeln ist ein neuer Raum eingerichtet worden, der mit Computern vollgestellt ist - immer noch Mangelware selbst in ukrainischen Kraftwerken. Eine ukrainische Firma hat die Verkabelung und Montur der neuen Schaltkästen komplett übernommen - die Deutschen haben
lediglich die Bauteile und Pläne dafür geliefert.

Fritz Anklam merkt an, dass die ukrainischen und russischen Kollegen sehr genau nachfragen, wie selbst die kleinste Schraube gefertigt wird - um sie später selbst nachbauen zu können. Industriespionage ist das für Fritz Anklam nicht - hat doch das Projekt in Smijew den Charakter eines Entwicklungshilfeprojektes.