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Politik

Kolumbien: Blockaden und Proteste

Javier Arguedas
9. April 2019

Die indigene Bevölkerung protestiert landesweit gegen Präsident Iván Duque. Seine Regierung verspricht Unterstützung. Doch in der Vergangenheit waren ähnliche Versprechen immer wieder gebrochen worden.

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Kolumbien Protest für bessere Bildung in Bogotá
Bild: picture alliance/dpa/colprensa/S. Acero

Fast einen Monat lang war die Durchfahrt über die berühmte Panamericana-Straße, die mit nur wenigen Unterbrechungen Alaska mit Feuerland verbindet, in Kolumbien blockiert. Indigene und Aktivisten in den Bundesstaaten Cauca und Nariño, im Südwesten des Landes, verlangten einen Dialog mit Präsident Iván Duque. Dieser verweigerte sich dem Gespräch, solange die Blockade bestehen bliebe, und schickte stattdessen seine Innenministerin. Nach tagelangen Verhandlungen kam am Wochenende der Durchbruch. Doch die Umsetzung des Abkommens zwischen den Vertretern der Indigenen und der Regierung stellt sich schon jetzt als extrem schwierig heraus.

Ein altes Problem

Schon seit der Unabhängigkeit im Jahr 1819 wurde die indigene Bevölkerung in Kolumbien stark benachteiligt. Immer wieder wurden ihre Rechte eingeschränkt. Trotz mehrerer Initiativen, die rechtliche Lage der Indigenen zu verbessern, haben Großgrundbesitzer, Kriege und seit Jahrzehnten auch die hohe Kriminalität ihr Leben schwer gemacht. Noch heute gehören Cauca und Nariño zu den unsichersten Regionen des Landes, die unter anderem zum Schlachtfeld des Drogenkrieges wurden.

Kolombien Minga Protest
Drei Wochen lang blockierten Indigene die Panamericana-Schnellstraße, die Alaska mit Feuerland verbindetBild: picture-alliance/ZumaPress/S. Saldarriaga

Im Jahr 2005 schlossen sich mehrere indigene Gruppierungen zu einer so genannten "Minga" zusammen: Das ist eine traditionelle Form der Organisation der autonomen Gemeinden, mit der sie für ihre Rechte kämpfen. Die Minga des Jahres 2005 setzte den damaligen Präsidenten Álvaro Uribe stark unter Druck. Er versprach daraufhin eine deutliche Erhöhung der Staatsausgaben für die betroffenen Regionen und die Verteilung von landwirtschaftlichen Flächen. Doch aus Sicht der Minga wurden die Abkommen nicht eingehalten. Ähnliche Bewegungen führten in den Jahren 2009 und 2014 zu weiteren Versprechen mit schriftlichen Abkommen, die jedoch kaum zu konkreten Ergebnissen führten.

Frieden und Hoffnung

Der Friedensprozess, der im Jahr 2016 zum Abkommen zwischen der Regierung des Präsidenten Juan Manuel Santos und der damals mächtigsten Guerilla des Landes FARC führte, sieht umfangreiche Entschädigungen für die Opfer des Krieges vor, darunter auch für unterdrückte Minderheiten. Unter anderem sollen enteignete Landflächen unter den Opfern in ländlichen Regionen verteilt werden. Für die Indigenen in Cauca und Nariño brachte das Abkommen mit seiner neuen Gesetzgebung Hoffnung auf eine ordnungsgemäße Entschädigung und auf die Anerkennung ihrer Rechte. Eine spezielle Kommission, die die Einhaltung der bereits unterschriebenen Abkommen gewährleisten sollte, wurde ins Leben gerufen. Als die Zusagen abermals nicht eingehalten wurden, erhob die diesjährige Minga Forderungen an die Regierung, die anspruchsvoller sind als je zuvor.

Duques Entwicklungsplan unter Druck

Im Februar stellte Präsident Iván Duque seinen Entwicklungsplan vor: eine ambitionierte Sammlung von wirtschaftlichen Maßnahmen, die das Wachstum im Land bis zum Jahr 2020 stark ankurbeln sollten. Im Plan inbegriffen sind Investitionen in ländlichen Regionen, darunter auch für die Indigenen in Cauca und Nariño.

Kolumbien Präsident Ivan Duque
Trickst der kolumbianische Präsident Iván Duque? Bild: picture-alliance/AA/Colombian Presidency Press Office

Nach den Verhandlungen mit der Innenministerin hat sich die Regierung am Wochenende bereit erklärt, rund 235 Millionen Euro in die indigenen Gemeinden zu investieren. Mit Sozialwohnungen, Straßen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen möchte man insbesondere dem Regionalen Indigenen-Verband in Cauca (Cric) entgegenkommen. Doch der Präsident koppelte diese Maßnahmen an seinen Entwicklungsplan und fährt damit eine clevere politische Strategie: Sein Entwicklungsplan muss nämlich noch vom kolumbianischen Senat verabschiedet werden.

Machtspiele im Senat

Der Entwicklungsplan wird als Flagschiffprojekt der Regierung betrachtet. Seine Verabschiedung im kolumbianischen Parlament ist allerdings im Moment sehr unwahrscheinlich. Zwar beinhaltet der Plan soziale Investitionen, die auf allen Seiten des politischen Spektrums begrüßt werden. Duque hat sich aber mit einem anderen politischen Vorhaben selbst Steine in den Weg gelegt: Der Präsident hat vor, sämtliche Sondergesetze, die im Rahmen des Friedensabkommens mit der Guerilla entstanden sind, zu modifizieren. Unterstützer des Friedensabkommens sehen darin eine Bedrohung für den Friedensprozess und leisten starken Widerstand. Damit hat Duque die Spaltung in dem Land noch vertieft. Die Opposition wird jetzt die Beibehaltung der Sondergesetze als Bedingung für die Verabschiedung des Entwicklungsplans instrumentalisieren.

Unabhängig davon, ob der Entwicklungsplan und die darin enthaltenen Maßnahmen für die Indigenen verabschiedet wird oder nicht, werden die Forderungen der Minga wohl kaum erfüllt sein. Denn mit Rücksicht auf das hohe Defizit des kolumbianischen Staatshaushaltes wurden die versprochenen Hilfen deutlich heruntergeschraubt. Die jetzt versprochenen 235 Millionen Euro sind weit weniger als die ursprünglich geforderten 13 Milliarden Euro. Von 40.000 geforderten Hektar Landfläche werden derzeit 15.000 versprochen. Und die langsamen Debatten im Parlament werden auf eine skeptische Minga treffen, die Abkommen ohnehin kaum noch ernst nimmt.

Erneute Proteste

Die Minga in Cauca und Nariño hat zwar ihre Blockade vorerst eingestellt. Andere indigene Gruppierungen jedoch haben zu neuen Protesten in anderen Regionen des Landes aufgerufen. Im kolumbianischen Amazonasgebiet werden seit Montag ebenfalls Straßen blockiert. Auch hier verlangen die Protestierenden eine direkte Intervention des Präsidenten.

Der 9. April wurde in Kolumbien zum Gedenktag für die Opfer des bewaffneten Konflikts erklärt. Die Teilnehmer der Minga werden die Gelegenheit nutzen, um auf ihren Kampf aufmerksam zu machen. Sie hoffen, dass sich die Geschichte nicht nochmals wiederholt.