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Politik

17 Seiten für den Frieden

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
11. Mai 2017

In London trifft sich die Politik, um über Somalia zu beraten - wieder einmal. Aber auch die nächste Initiative droht an hehren Zielen zu scheitern, meint Ludger Schadomsky.

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Großbritannien Somalia-Konferenz in London
Bild: Getty Images/AFP/J. Tallis

Die Liste der Anwesenden war beeindruckend: Ministerpräsidentin Theresa May (oben im Bild) persönlich eröffnete das "Zwittertreffen", das sowohl Geber- als auch Sicherheitskonferenz sein wollte. Geladen waren nach London unter anderen UN-Generalsekretär Guterres, die EU-Außenbeauftragte Mogherini, US-Verteidigungsminister Mattis und natürlich Somalias neuer Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo" (Käse).

Ziel der Runde: Eine "neue Sicherheitspartnerschaft für Somalia" abzusegnen, deren Eckpfeiler seit April auf dem Tisch liegen. Was die Frage aufwirft: Was ist eigentlich aus den zahllosen früheren Sicherheitspartnerschaften mit und für Somalia geworden?

20 Somalia-Konferenzen hat es seit den frühen 1990-er Jahren gegeben, zuletzt war man 2012 in London versammelt, auch damals wurden Reden geschwungen und Versprechen gegeben - die in der Folge weitgehend unbeachtet blieben. Weshalb es nun eine weitere Partnerschaft mit neuem Personal braucht: Seit Anfang des Jahres hat Somalia einen neuen Präsidenten, einen neuen Premier und ein neues Parlament. (Und eine neue Hungersnot, weshalb die Runde einen Spendenaufruf von 1,5 Milliarden US Dollar für die sechs Millionen akut von Dürre und Hunger bedrohten Somalis verabschiedete).

Am Ende waren es 17 Seiten, auf denen das Herzstück der künftigen Zusammenarbeit bis 2020 beschrieben ist: Der beschleunigte Aufbau einer schlagkräftigen somalischen Armee aus vielen versprengten Regionaltruppen und Clanmilizen.

Die Zeit drängt: Ab 2018 soll die von Geberseite gesponsorte, aber wenig effektive afrikanische AMISOM-Truppe von derzeit 22.000 Mann reduziert und dereinst ganz von den Somalis abgelöst werden. Dafür greifen die Geber einmal mehr tief in die Tasche – unter anderem für Training und Ausbildung.

Enttäuschung statt Fahrplan

Allein: Mehr Geld hilft nicht mehr in Somalia - das ist die Lehre aus einem Vierteljahrhundert gründlich verbockter Intervention. Im Gegenteil: Korruption, Vetternwirtschaft und die Bewirtschaftung der eigenen Taschen sind heute endemisch unter den Politikern des Landes und weit intensiver ausgeprägt als Reformeifer und Good Governance. Nach wie vor stockt die seit Jahren diskutierte "Roadmap", der Fahrplan also hin zu einem auch nur ansatzweise inklusiven Somalia, blockieren sich Präsident und Ministerpräsident wie auch die Regionen innerhalb des fragilen föderalen Staates, stehen Clan-Loyalitäten weit über einem nationalen Zugehörigkeitsgefühl. Viele Somalis, die nach der letzten Wahl 2012 mit großen Hoffnungen aus der Diaspora zurückkamen, sind inzwischen frustriert und desillusioniert. Die Ankündigung, die islamistische Al Shabaab-Miliz, die die Hauptstadt Mogadischu mit Terror a la Bagdad und Kabul überzieht, binnen zwei Jahren zu schlagen, klingt da wie Hohn.

Somalias neuer Präsident war vier Jahre lang Finanzverwalter in den USA und hat eine Magisterarbeit zum Thema "Strategische Interessen der USA in Somalia von Kalten Krieg bis zum Krieg gegen den Terror" geschrieben. Beide Themen – Finanzen und Anti-Terrorkampf – sind essentiell für Somalias Zukunft - insofern bringt der Neue durchaus Hoffnung ins Amt. Doch angesichts der langen To-Do-Liste - Aufbau von Polizei und Armee, Verfassungsreform, Nationaler Dialog, Kampf gegen Korruption und neuerdings wieder gegen Piraterie etc.pp. – hat der deutsche Außenminister Recht, wenn er in London vor einem zu schmalen Zeitkorridor für den Aufbau einer somalischen Armee warnt.

Zur Wahrheit gehört, ungeachtet der vielen innersomalischen Versäumnisse, freilich auch, dass sich die Gebergemeinschaft in Somalia nicht mit Ruhm bekleckert hat - im Gegenteil. Wäre der "new deal" für Somalia ernst gemeint, dann wäre jetzt die Zeit, es wirklich neu und besser zu machen.

London ist beschäftigt

Doch dem steht womöglich die Realpolitik im Weg: Großbritannien als Patron der internationalen Somalia-Diplomatie hat in den kommenden Jahren sein Augenmerk auf den Brexit und wird sich allenfalls noch um gekaperte britische Tankschiffe vor der somalischen Küste kümmern wollen. Diese Botschaft fand sich freilich nicht in den 17 Seiten, die die "tough lady" May ihren somalischen Gästen mit auf den Weg gab.

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