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Der Kunstmarkt pervertiert

Torsten Landsberg
Torsten Landsberg
16. November 2017

Im Fußball war es neulich Neymar, in der Kunst ist es jetzt Leonardo da Vinci - das Non-Plus-Ultra, für das von Superreichen unglaubliche Summen bezahlt werden. Das ist nur noch obszön, meint Torsten Landsberg.

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Christie's New York  Auktion Leonardo da Vincis 'Salvator Mundi'
Das Spektakel im Auktionssaal von Christie's in New YorkBild: Getty Images/AFP/T. A. Clary

Ein Bild wird zum Symbol. Fast eine halbe Milliarde Dollar zahlt der noch unbekannte neue Eigentümer für den "Salvator Mundi", ein Gemälde, das - wahrscheinlich / vielleicht / man weiß es nicht - vom italienischen Renaissance-Maler Leonardo da Vinci stammt.

Es soll hier nicht um den erhobenen Zeigefinger gehen, an Moral appelliert oder darauf hingewiesen werden, wie viel sinnvoller - also sozialer - dieses Geld hätte eingesetzt werden können. Die Parallelität der Ereignisse und ihre beißende Ironie sprechen für sich: Erst vor wenigen Tagen erschien der jährliche Global Wealth Report des Finanzdienstleisters Credit Suisse, dem zufolge das reichste Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte des weltweiten Vermögens besitzt.

250 Prozent Gewinn

Die Versteigerung des "Salvator Mundi" wirkt wie eine spöttisch inszenierte Bestätigung dieser Schere zwischen Arm und Reich. Bislang gehörte der "Salvator" dem russischen Multimilliardär Dimitri Rybolowlew, der ihn 2013 für 127,5 Millionen Dollar erstand. Den Verkäufer, einen Schweizer Kunsthändler, bezichtigte Rybolowlew später des Wuchers, weil der das Gemälde für 80 Millionen Dollar erworben hatte, nur wenige Tage bevor er es mit einem satten Aufschlag weiter verkaufte. Ob der nun erzielte Gewinn von mehr als 250 Prozent Rybolowlew besänftigt?

Deutsche Welle Torsten Landberg Kommentarbild
DW-Kulturredakteur Torsten LandsbergBild: DW/B. Geilert

Im vergangenen Sommer galt der Transfer des Fußballers Neymar für 222 Millionen Euro als Sittenverfall, schließlich dienten in den Verträgen verankerte Ablösesummen dieser Höhe allein der Abschreckung von Interessenten - bis die katarischen Scheichs das Portemonnaie öffneten. Die Kunstwelt ist, ebenso wie das Fußballgeschäft, das wahr gewordene Monopoly, bei dem sich Oligarchen, Scheichs und asiatische Multimilliardäre gegenseitig das teils unter dubiosen Umständen angehäufte Geld zuschieben. Die Da-Vinci-Auktion war lediglich eine obszöne Fortsetzung.

Als wäre es Spielgeld gingen die Gebote in Zehn-Millionen-Schritten ein, dann in Abständen von fünf Millionen und schließlich, als das Gebot bei 260 Millionen stand, näherten sich die Bieter  geradezu verhalten in Zwei-Millionen-Schrittchen an. Ein 19-minütiges Muskelspiel zwischen fünf Bietern, die das Gemälde zum teuersten der Kunstgeschichte hochtrieben und seinen Schätzwert von 100 Millionen Dollar im Nu pulverisierten.

Strittige Herkunft

Jahrelang haben Experten aus aller Welt das Gemälde untersucht, einige halten bis heute an ihren Zweifeln über seine Herkunft fest. Womöglich wurde es gar nicht von Da Vinci selbst, sondern einem seiner Schüler gemalt. Noch dazu war es in keinem besonders guten Zustand. Doch ob hier ein echter Da Vinci der Nachwelt erhalten blieb, spielte in der Auktion keine Rolle - es ging um nichts anderes als eine Trophäe. Wie unfassbar langweilig muss eigentlich ein Leben sein, das eines solchen Statussymbols bedarf, um es aufzuwerten?

Ein Bild wird zum Symbol und man muss kein religiöser Mensch sein, um dessen Pervertiertheit zu erkennen: "Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden." Der Überlieferung nach stammt dieser Satz vom "Salvator Mundi" selbst, von Jesus, dem Erlöser der Welt, dessen Bildnis nun das teuerste der Welt ist - jedenfalls vorläufig. Das Spiel wird weitergehen, denn die Schmach, bei dieser Auktion unterlegen zu sein, werden die anderen Superreichen nicht lange auf sich sitzen lassen.

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