1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Äthiopiens Reformkurs ist eine Chance

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
30. Januar 2019

Bundespräsident Steinmeier hat ein Land im Umbruch besucht. Die Bundesrepublik kann einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Entwicklung Äthiopiens leisten, muss dies aber beherzt angehen, meint Ludger Schadomsky.

https://p.dw.com/p/3CQUR
Bundespräsident  Steinmeier Besuch in Äthiopien
Bundespräsident Steinmeier (re.) zu Gast beim äthiopischen Regierungschef Abiy AhmedBild: Deutsche Botschaft

"Multilateralismus" und "Reformpartnerschaft" - das waren die Kernbotschaften im Gepäck des deutschen Bundespräsidenten auf seiner nunmehr dritten Reise auf den Nachbarkontinent. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt", hat der Afrika-Versteher Steinmeier im DW-Gespräch gesagt - und er hat Recht. Am Horn von Afrika wird Geschichte geschrieben: Nach Jahrtausenden feudaler, sozialistischer und albanisch-marxistischer Gewaltherrschaft weht in Äthiopien der Wind des demokratischen Wandels. Er fegt alte politische und wirtschaftliche Seilschaften hinweg, legt aber zugleich die äußerst fragile Verfasstheit des Vielvölkerstaats offen. 

2020 wird in Äthiopien gewählt. Ministerpräsident Abiy Ahmed will seinen Reform-Kurs vom Wahlvolk absegnen lassen, seine Kritiker plädieren leidenschaftlich für eine Verschiebung des Urnenganges - also Konfliktpotenzial satt. Zumal sich Abiy im ersten Jahr im Amt mächtige Feinde im Sicherheitsapparat und im Militär gemacht hat. Derweil werden an zahlreichen Ecken im Land alte Rechnungen blutig beglichen: Afrikas zweitbevölkerungsreichstes Land, in dem die Afrikanische Union (AU) ihren Sitz hat, steht am Scheideweg: Speerspitze einer afrikanischen Renaissance oder Schauplatz verheerender ethnischer Gewalt.

Krise des Multilateralismus

Deutschland, das hat die progressive Präsidentin wie auch der Reformer Abiy deutlich gemacht, ist ein wichtiger und geschätzter Partner in diesem schwierigen Wandel. In Äthiopien wird deshalb 2020 nicht nur über die Zukunft von 100 Millionen Menschen abgestimmt - Äthiopien ist auch der Lackmustest für eine ernsthafte deutsche Afrikapolitik, wie sie an dieser Stelle seit Jahren gefordert wird.

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky leitet die Amharische Redaktion und hat den Bundespräsidenten nach Äthiopien begleitet

Nun ist es mit dem von Deutschland beschworenen Multilateralismus leider nicht mehr weit her: Die ressourcenschwache Afrikanische Union zeigt sich dieser Tage im Kongo wieder einmal zaudernd, auch die ostafrikanische Regionalgruppe IGAD hat genügend Zeugnisse ihrer Bedeutungslosigkeit geliefert. Ganz zu schweigen von den USA, die nur noch Detroit, aber nicht mehr Addis oder Mogadischu "great" machen wollen, und den Briten, die nur mit sich selbst beschäftigt sind.

Die Krise des Multilateralismus als Chance: Berlin muss nun endlich eine eigene Roadmap für Afrika entwickeln, die den Namen auch verdient. Diese muss zwingend eingebettet sein in eine stimmige Regionalstrategie, die - im Fall des Horns von Afrika - Eritrea, Somalia und auch den Sudan mit einbezieht, wo Tausende seit Wochen für Reformen demonstrieren. Stückwerk und allein Migrationsabwehr war gestern!

Schlüsselfrage neue Arbeitsplätze

Natürlich muss der politische Reformprozess in Äthiopien vom Partner Deutschland wirtschaftlich flankiert werden - ohne neue Arbeitsplätze wird Abiy scheitern. Deshalb sind die Wirtschafts-Partnerschaften der vergangenen Jahre wichtig, und es war folgerichtig, eine Wirtschaftsdelegation mit nach Addis zu nehmen. Der Eintritt von Volkswagen in den äthiopischen Markt ist dabei ein starkes politisches Signal. Was es nun aber mindestens so dringend braucht, sind unbürokratische Hermes-Bürgschaften für mittelständische Unternehmen, deren Namen nicht weltweit bekannt sind.

"Stell Dir vor du willst Multilateralismus, aber es gibt keine Partner." Deutschland muss, wenn es seine Rede von der neuen Verantwortung in der Welt ernst meint, in Äthiopien und darüber hinaus schnell eine viel klarere Vorstellung entwickeln, wohin die Reise gehen soll. Nach den Chinesen stecken derzeit die Scheichs vom Golf ihre Claims ab. Und sie führen nichts Gutes im Schilde. 

Wie sagte Bundespräsident Steinmeier vor dieser Reise: "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt."