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Alarmstufe Rot

6. Januar 2016

Köln ist eine Zäsur. Die sexistischen Angriffe junger, "arabisch aussehender" Männer auf Frauen in aller Öffentlichkeit in der Silvesternacht wirken wie ein Sprengsatz. Und der ist gefährlich, meint Volker Wagener.

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Deutschland Köln Proteste nach sexuellen Übergriffen
Bild: Reuters/W. Rattay

Reichlich betrunken und im Schutze der Nacht griffen sie unter Röcke und in Blusen. Mitten in Köln und massenhaft. Über die Täter gibt es keine Zweifel. Sie waren jung, männlich und von nordafrikanisch-arabischem Aussehen. Keine Frage: Die Zuwanderungs- und Flüchtlingsdebatte erreicht eine neue Eskalationsstufe. In den sozialen Netzwerken ist die Hölle los. Publik wurden die sexistischen Exzesse erst mit reichlich Verspätung. Und es war nicht die Polizei, die das Ungeheuerliche zutage förderte, es waren die Frauen, die Opfer, die erst mit ihren Anzeigen ein Thema ins Rollen bringen, das den sozialen Frieden massiv gefährdet.

Denn die Nacht der enthemmten Männermeute vor dem Dom steht mitten im Kontext des alles überragenden Flüchtlingsthemas. Es polarisiert die deutsche Gesellschaft wie kaum ein anderes Thema zuvor. Die geografische Herkunft der Täter und die Art der Vergehen wirken wie Brandbeschleuniger in unserer gereizten Gesellschaft.

Stimmung kann kippen

Das hatte uns nach dem historischen Jahr 2015 gerade noch gefehlt. Mehr als 1,1 Millionen Flüchtlinge finden Deutschland so toll, dass sie sich partout nur hier in Sicherheit bringen wollten - und das innerhalb nur eines Jahres. Mit Ach und Krach balanciert die Bundesregierung seit Monaten die angegriffene gesellschaftliche Harmonie im Lande aus. Fürsprecher der offenen Gesellschaft müssen sich immer wieder gegenüber Angriffen aus dem Lager des latent bis offen ausländerfeindlichen Lagers erwehren.

Wagener Volker Kommentarbild App
DW-Redakteur Volker Wagener

Nach Köln droht nun ein Stimmungsabsturz. Wenn Vorurteile gegenüber "den Fremden" bedient werden, dann finden Warnungen vor Pauschalisierungen kaum noch Gehör. Die Hetze gegen Flüchtlinge und "die Asylanten" im Netz ist an Aggressivität kaum zu überbieten. Ausländerfeindlichkeit hat wieder Konjunktur.

Doch dieses Phänomen darf nicht den Blick darauf verstellen, dass das Problem des kriminellen Zuwanderers lange nicht wahrgenommen wurde. Mit den Flüchtlingen sind sicher nicht nur brave Familienväter gekommen. Die Täter vom Dom waren jung und männlich, die übergroße Mehrheit der Ankömmlinge unter den Flüchtlingen auch. Das Problem, dass einige der Flüchtlinge auch gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen der arabischen Welt mit nach Deutschland bringen, ist nicht erst seit 2015 eine Realität. Schon allein wegen des Zuwachses der Bevölkerung durch Zuwanderung aus islamischen Ländern. Das erfordert neues Denken, neues Handeln.

Die überforderte Polizei

Dazu gehört auch die Stärkung der Polizei. Wie kann es sein, dass Dutzende Frauen schutzlos ihren Angreifern ausgeliefert waren? Nichts ist entwaffnender als die Antwort eines erfahrenen Polizisten, der unumwunden die Ohnmacht der Hüter der Ordnung beim Namen nennt: Wir können nicht mehr, Verbrechen werden nur noch verwaltet. Vermutlich wird es nicht in einem einzigen Fall zu einer Verurteilung kommen, befürchtet die Polizeigewerkschaft. Für eine effektive Strafverfolgung fehle es einfach an Personal. Ein solcher Befund passt definitiv nicht mehr zu den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen im Land.

Abschiebung! - Warum denn nicht?

Schwer nachzuvollziehen ist auch die Abschieberegelung. Es ist schon eine Zumutung an den gesunden Menschenverstand, wenn eindeutig und vielleicht sogar mehrfach straffällig gewordene Zugewanderte nicht abgeschoben werden können. Jeder, der in der Kneipe um die Ecke im Suff randaliert, wird mit Lokalverbot belegt. Wer im Stadion Bengalos abfackelt muss fortan draußen bleiben. Flüchtlinge und Asylantragsteller müssen hingegen schon einen Mord begehen, um ausgewiesen zu werden. Diese Rechtslage werden nach Köln immer weniger Deutsche verstehen.

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Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe