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Kommentar: Amerikas Führungskraft droht zu erlahmen

Daniel Scheschkewitz, Washington1. Februar 2006

Präsident Bushs fünfte Rede zur Lage der Nation war als Mutmacher-Rede gedacht. In Wirklichkeit offenbarte sie jedoch die Schwächen der Supermacht, meint Daniel Scheschkewitz.

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Präsident Bush hat den Führungsanspruch Amerikas in der Welt erneuert. Nur so könne der Herausforderung des islamistischen Terrors begegnet werden und Amerika und seine Verbündeten in Sicherheit leben. Diese Prämisse ist nicht neu, und doch klang in diesem Jahr alles eine Nummer bescheidener, als sei dem unbeirrbaren amerikanischen Zukunftsoptimismus ein Stück seines Glanzes abhanden gekommen. Zwar betonte Bush einmal mehr die historische Verpflichtung Amerikas, der Tyrannei auf dem Globus ein Ende zu bereiten. Aber angesichts der blutigen Kämpfe im Irak, dem Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan und der immer neuen Terrorbotschaften der El-Kaida-Führung klang die ideologische Freiheitsparole diesmal merkwürdig hohl.

Zweifelhafte Erfolge

Der amerikanischen Bevölkerung - das zeigen alle Umfragen - sind selbst Zweifel gekommen. Und das eigentlich Neue an Bushs Rede war das intensive Warnen vor einem Rückfall in das Zeitalter amerikanischen Isolationismus. Diese Gefahr ist real, denn die bisherigen Erfolge im Kampf gegen den Terror sind bescheiden und der weltweite Siegeszug der Demokratie ähnelt an manchen Orten einem Pyrrhus-Sieg. Im Irak tobt weiter der Aufstand und das Land ist trotz erfolgreich durchgeführter Wahlen von stabilen Zuständen weit entfernt. Im Nahen Osten haben sich die Palästinenser ein Parlament gewählt, dass radikaler nicht sein könnte und das für den Friedensprozess kaum Gutes verheißt. Und im Iran stellen die Mullahs das Existenzrecht Israels in Frage und greifen immer unverhohlener nach der Atommacht.

Außer seinem Supermachtstaus und seinem moralischen Anspruch hat Amerika dem zur Zeit wenig entgegen zu setzten. Denn die Strahlkraft der amerikanischen Demokratie hat unter diesem Präsidenten weltweit eingebüßt. Die Gründe hierfür sind bekannt. Wer die eigenen Bürger ohne Zustimmung der Gerichte belauscht, mutmaßlichen Terroristen zu hunderten und über Jahre einen rechtstaatlichen Prozess verweigert und Gefangene der Folter in Unterdrückerstaaten preisgibt, dessen Ideale verlieren naturgemäß die Überzeugungskraft.

Probleme daheim

Hinzu kommen die Probleme, mit denen Amerika zuhause zu kämpfen hat und die in dieser Rede zur Lage der Nation erstaunlich deutlich zu Tage traten. Die Abhängigkeit vom Öl macht die USA ökonomisch verwundbar und politisch erpressbar. Bushs Appell, neue Technologien zu nutzen, kommt reichlich spät, denn die Abhängigkeit hat in seinen Amtsjahren nachweisbar zugenommen. Mit Indien und China sind den USA auf den globalen Märkten zudem mächtige Rivalen herangewachsen. Über die Auslandsverschuldung könnte China die USA heute schon ökonomisch in die Knie zwingen. Die Hurrikan-Katstrophe in New Orleans demonstrierte der Welt außerdem amerikanische Hilflosigkeit beim Eindämmen absehbarer Naturkatastrophen, und dem Versprechen Bushs zum Wiederaufbau der Mississippi-Metropole sind bisher kaum Taten gefolgt. Das hat auch die amerikanische Bevölkerung zur Kenntnis genommen, und nervös blicken die Republikaner der Wahl im November entgegen, bei der sie ihre Mehrheit im Kongress verlieren könnten.

Bush hat mit seiner Rede dem Versuch an einer populistischen Anbiederung widerstanden. Das passt zu ihm. Aber er kann auch nicht mehr wieder gewählt werden. Doch Zweckoptimismus ist allein noch kein politisches Rezept. Und die Weltlage ist zu kompliziert, um sie in sein einfaches ideologisches Korsett zu zwängen. Isolationismus ist in der Tat keine Alternative, aber ob Amerika die Kraft hat, im strategischen Dialog mit seinen Partnern neue Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden, bleibt abzuwarten.