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Politik

Rückfall in den Linkspopulismus

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern
13. August 2019

Es waren nur Vorwahlen, aber das Ergebnis ist ein politisches Erdbeben. Wenn Argentinien im Oktober genauso abstimmt, droht die Rückkehr zur einer Politik, die das Land schon einmal ruiniert hat, meint Uta Thofern.

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Bildkombo | Mauricio Macri und Alberto Fernandez
Der amtierende Präsident Mauricio Macri (li.) und sein Herausforderer Alberto Fernández

Die Drama Queen ist zurück, wenn auch nicht auf vorderster Bühne. Cristina Fernández de Kirchner, kurz CFK, hat sich mit einem genialen Trick in die politischen Besetzungslisten zurückgespielt: Die Ex-Präsidentin tritt nicht wieder für das höchste Staatsamt an, sondern nur als Vize des passenderweise gleichnamigen Kandidaten Alberto Fernández.

Der unerwartet deutliche Erfolg des Duos bei den Vorwahlen zeigt erstens, dass dieses Spiel funktioniert: Dem männlichen Fernández schlägt längst nicht so viel Ablehnung entgegen wie der früheren Präsidentin, die Argentinien an den Rand des Ruins regiert hatte. Alberto Fernández hatte zwar als Kabinettschef unter CFK und auch schon zuvor unter ihrem verstorbenen Ehemann und Vorgänger Nestor Kirchner gedient, sich aber nach seinem Rücktritt zu einem Kritiker der "Kirchneristas" gewandelt. Offensichtlich reichte das um viele Wähler davon zu überzeugen, dass er die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen würde.

Sparkurs stößt auf kaum noch Verständnis

Das Wahlergebnis belegt zweitens, dass der amtierende Präsident Mauricio Macri mit seiner gezwungenermaßen harten Wirtschaftspolitik nur noch bei einem knappen Drittel der Wähler auf Verständnis stößt. Um das heruntergewirtschaftete Argentinien wieder als ernst zu nehmenden Wirtschaftspartner zu etablieren und die Staatsfinanzen zu sanieren, waren drastische Maßnahmen nötig: Subventionen kürzen, Schulden zurückzahlen, den aufgeblähten Staatsapparat verkleinern.

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Uta Thofern leitet die Lateinamerika-Programme

Doch die erwarteten ausländischen Investitionen flossen spärlich und wurden als Folge der neuen Politik von US-Präsident Donald Trump teils schnell wieder abgezogen. Ohne Subventionen wurden Wasser, Strom und Gas teurer, zugleich bekam Macri die Inflation nicht in den Griff - alle Preise stiegen, die Arbeitslosigkeit wuchs, die Armut ebenfalls. Letztlich musste der Präsident die Notbremse ziehen und ein Abkommen mit dem in Argentinien aus historischer Erfahrung verhassten Internationalen Währungsfonds abschließen.

Das Resultat der Vorwahlen vom Sonntag ist die Quittung. Nur 32 Prozent für Macris Team, aber 47 Prozent für Fernández-Fernández. Bei den Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober würde das für einen Sieg in der ersten Runde reichen. Macris jüngste Erfolge, insbesondere die Einigung auf ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur, spielten offensichtlich keine Rolle bei der Wahlentscheidung.

Wähler ohne Geduld

Die dritte Lehre aus dem Wahlergebnis ist deshalb ein ernüchterndes Signal für die Zukunft: Eine Mehrheit der Wähler hat keine Geduld mehr. Sie erwartet den ersehnten Wandel sofort und will kein Verständnis für Hintergründe und komplizierte Prozesse entwickeln. Argentinien liegt damit im Trend - vom Brexit über die Wahl Donald Trumps bis hin zur Wahl von Jair Bolsonaro in Brasilien und Andrés Manuel López Obrador in Mexiko haben in den zurückliegenden Jahren oft die vermeintlich "einfachen Lösungen" gesiegt. Nachhaltige Erfolge allerdings lassen in allen diesen Ländern auf sich warten.

In Argentinien dürfte es Macri sehr schwerfallen, den Trend bis zur Präsidentenwahl umzudrehen - zumal das Resultat der Vorwahlen an den Märkten bereits für Unsicherheit und erste Verluste gesorgt hat. Die wirtschaftliche Situation wird sich also weiter verschlechtern und damit auch Macris Aussichten. Er befindet sich in einem Teufelskreis.

Gerät Argentinien in eine neue Abwärtsspirale?

Sollte das Duo Fernández-Fernández die Wahl im Oktober gewinnen, könnte aus dem quälenden Kampf Argentiniens um den wirtschaftlichen Aufstieg wieder eine Abwärtsspirale für das ganze Land werden. Es sei denn, Alberto Fernández könnte Cristina Fernández an die Wand spielen. Das aber würde eine Fortsetzung von Macris Politik bedeuten und nicht das schnelle Happy End, das Fernández Wähler erwarten.

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern Leiterin Lateinamerika-Redaktionen, Schwerpunkt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte