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Politik

Asiens starke Männer

28. Dezember 2016

Auch 2016 war in Asien die Sehnsucht nach starken Männern groß - autoritäre Politiker haben vielerorts Konjunktur. Doch sie werden ihre Länder nicht in eine sichere Zukunft führen, meint Rodion Ebbighausen.

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Bild: Getty Images/AFP

Unter den starken Männern Asiens gibt es den unbeherrschten Polterer und den disziplinierten Machtmenschen. Präsident Duterte von den Philippinen und der thailändische Premierminister und Ex-General Prayuth Chan-ocha fallen in die erste Kategorie. In seiner ersten Amtshandlung rief der im Juni 2016 gewählte philippinische Präsident Polizei und selbsternannte Sicherheitskräfte dazu auf, Jagd auf Drogendealer zu machen. In wenigen Monaten wurden mehr als 5000 Menschen getötet - ohne Ermittlung, ohne Prozess, ohne Gnade.

Im Dezember prahlte der Präsident sogar damit, vor Jahren eigenhändig drei vermeintlich Kriminelle erschossen zu haben. Nebenbei beschimpfte Duterte den US-Präsidenten Obama und den Papst als Hurensöhne.

General Prayuth, der 2014 in Thailand durch einen Putsch an die Macht gekommen war, ist ebenfalls für sein aufbrausendes Temperament bekannt. So bezeichnete er Kritiker als "menschlichen Müll". Er wurde 2016 von Reporter ohne Grenzen zum "Feind der Presse" erklärt. In der Vergangenheit hatte er gedroht, Reporter kurzerhand erschießen zu lassen, sollten sie nicht die Wahrheit berichten.

Disziplinierte Machtmenschen

Zum zweiten Typ zählen Politiker wie Premierminister Shinzo Abe in Japan, Präsident und Parteichef Xi Jinping in China oder Premierminister Narendra Modi in Indien. Abe gilt als konservativer Falke. Eines seiner Ziele ist die Aufweichung der pazifistischen Nachkriegsverfassung Japans, die etwa militärische Einsätze im Ausland verbietet.

Xi Jinping schaltet politische Konkurrenten mit Hilfe seiner Anti-Korruptionskampagne aus, die ihn zugleich beliebt beim Volk macht. Journalisten und kritische Anwälte werden mit großer Härte verfolgt. Im Südchinesischen Meer verfolgt er mit dem Bau künstlicher Inseln eine robuste Außenpolitik.

Modi demonstriert gegenüber China und dem Erzfeind Pakistan Stärke. Er hat außerdem das politische System Indiens stark zentralisiert. Die Minister wurden mit Hilfe des Büros des Premierministers, das als eine Art Kanzleramt bei allen Entscheidungen das letzte Wort hat, weitgehend kaltgestellt. Eine starke Parallele zu Xi übrigens, der nicht nur Partei- und Staatschef, sondern auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Chef des Sicherheitsapparats und treibende Kraft der Reform- und Wirtschaftspolitik ist. Er ist gewissermaßen "Vorsitzender von allem", wie es der australische China-Kenner Geremie Barmé ausdrückt.

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Rodion Ebbighausen ist Redakteur am Asien-Desk der Deutschen WelleBild: DW

Nationalismus als Basis

Die genannten Politiker setzen alle auf eine nationalistische Politik. Duterte erklärte mehrfach, die Zeit, in der die Philippinen eine amerikanische Kolonie gewesen seien, sei endgültig vorbei. Er spielte mit seinem "Bye, bye Amerika!" auf die langjährige enge Sicherheitskooperation beider Länder an und stellt in der Folge die bisherige Sicherheitsarchitektur der Region infrage. Abe ist nach seinen innenpolitischen Erfolgen 2016 etwas zurückhaltender aufgetreten als in der Vergangenheit. So vermied er etwa einen Besuch des umstrittenen Yasukuni-Schreins in Tokio, in dem japanische Militärangehörige geehrt werden - darunter auch verurteile Kriegsverbrecher. Er hat es nicht mehr nötig, mit Symbolpolitik zu provozieren. Ihm bleibt inzwischen genügend Spielraum für sein nationalkonservatives Projekt.

China will unter der Führung Xis endgültig die vermeintliche Demütigungen des 19. und 20. Jahrhunderts vergessen machen. Dazu gehört auch die Verteidigung jedes noch so unbedeutenden Felsens im Südchinesischen Meer.

Modi setzt voll auf den Hindu-Nationalismus, der ihn und seine Partei an die Macht gebracht hat. Seit November 2016 wird in allen indischen Kinos vor jeder Vorstellung die Nationalhymne gespielt. Wer sich nicht erhebt, dem droht Verhaftung. Wie sicher sich Modi seiner Position ist, zeigt auch die brachiale Bargeldreform, bei der von heute auf morgen alle 500 und 1000 Rupienscheine entwertet wurden, was im ganzen Land zu Chaos geführt hat.

Große Zustimmung

Solch autoritär-nationalistischer Führungsstil stößt auf viel Zustimmung. So erreicht Präsident Duterte in den vergangenen Monaten Zustimmungsraten von über 90 Prozent. Abes Liberaldemokratische Partei (LDP) hat bei den Wahlen im Juli zum Oberhaus in Japan sehr gut abgeschnitten, auch wenn sie die im Vorfeld für möglich gehaltene Zweidrittelmehrheit verpasst hat. Über die Zustimmung zu Xi lässt sich in dem Einparteienstaat Chinas nicht wirklich etwas sagen, aber Beobachter sind sich einig, dass er der mächtigste Führer seit Mao und Deng Xiaoping ist. Modi hatte Ende September 2016 sehr hohe Zustimmungswerte laut einer Studie des Pew Reserach Centers. Und die chaotische Geldentwertung scheint seinem Ansehen noch nicht geschadet zu haben.

Klischee der Unterwürfigkeit

Die Zustimmung für den autoritären Führungsstil hat nichts mit dem im Westen weit verbreiteten Klischee von der vermeintlich kulturell bedingten Unterwürfigkeit und Hierarchiegläubigkeit der Asiaten zu tun. Die Gründe sind vielfältig und von Land zu Land verschieden; und doch lässt sich eine Gemeinsamkeit ausmachen: Die Unterstützung von Asiens starken Männern hängt auch mit der weltweit wachsenden Angst vor der Globalisierung zusammen. Obwohl oder gerade weil asiatische Nationen ihren wirtschaftlichen Aufschwung der Integration in die Weltwirtschaft verdanken, sind die Menschen seit der globalen Finanzkrise von 2007 verunsichert. Die Globalisierung bringt nämlich zugleich eine größere Abhängigkeit von solchen Entwicklungen mit sich.

Diesen Vertrauensverlust nutzen die Politiker in Asien: Sie versprechen, sich vor allem für die Belange des jeweils eigenen Landes einzusetzen. Das ist nicht unähnlich zu den Entwicklungen in Europa und Amerika, wie der Brexit oder die Wahl Donald Trumps gezeigt haben.

Dass in Asien entsprechende Politiker bereits an den Schalthebeln der Macht sitzen, hängt vor allem mit den politischen Systemen in der Region zusammen. Auch wenn nicht alle Mängel in allen Ländern in gleicher Weise auftreten, ist zu konstatieren, dass Gewaltenteilung, unabhängige Institutionen oder Pressefreiheit oft unterentwickelt, Korruption und Amtsschimmel aber sehr ausgeprägt sind. Das befördert den Aufstieg autoritärer Köpfe.

Versprechen nicht einlösbar

Doch die Hoffnung, dass die starken Männer es schon richten werden, wird enttäuscht werden. Denn die Gestaltung der Politik mit den Mitteln des Nationalismus hat einen Haken: Sie untergräbt das Vertrauen zwischen den Staaten. Dabei ist Vertrauen wichtig, wenn die asiatischen Staaten die regionalen Herausforderungen und die der Globalisierung meistern wollen. Die starken Männer Asiens werden ihre Länder nicht in eine stabile Zukunft führen, sondern legen mit ihrem ausgeprägten Nationalismus die Grundlage künftiger zwischenstaatlicher Konflikte .

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