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Politik

Stärker als der Hass

27. Mai 2018

Die rechtspopulistische AfD hatte zum Protest nach Berlin gerufen, doch es kamen weit weniger Anhänger als angekündigt. Dafür machten sich die Gegendemonstranten umso lauter bemerkbar. Christoph Strack kommentiert.

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Protest gegen AfD-Demonstration
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Demonstrationsfreiheit gehört zur Demokratie. Demonstration und Protest sind Ausdrucksformen politischen Streits. Und in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Phasen mit großen, gewaltigen Demonstrationen zugleich Zeiten politischer Weichenstellungen und übrigens auch Jahre mit hoher Wahlbeteiligung.

An diesem Sonntag demonstrierten Zehntausende in Berlin. Gegen den Islam, gegen Merkel, gegen Flüchtlinge die einen - für eine offene Gesellschaft die anderen. Die Polizei sprach von 5000 bei der AfD und "weit über 25.000" auf der Gegenseite. Auf beiden Seiten beteiligten sich übrigens viele junge Leute. Dabei waren die Gegendemonstranten deutlich jünger als die im AfD-Zug.

Deutsche Welle Strack Christoph Portrait
DW-Redakteur Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Der erste Ruf, der zum Auftakt der AfD-Demo erschallte, war "Widerstand, Widerstand". Er kam auch später immer wieder auf. Und er stand für vieles während dieses gut drei Stunden dauernden rechtspopulistischen Protestes. Die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Beatrix von Storch, sprach Deutschen mit Migrationshintergrund und deutschem Pass diesen deutschen Pass ab. AfD-Parteichef Jörg Meuthen nannte Merkel eine "Hohepriesterin des Zynismus der Macht" und klagte über "Gender-Gaga" und "Vergewaltigung unserer Kultur". Und immer wieder ging es während der gut dreistündigen AfD-Veranstaltung gegen den Islam: "Islam raus." Es ist, auch völkisch unterlegt, der Widerstand gegen die plurale, auch religiös offene Gesellschaft.

Und dann läutet die Freiheitsglocke

Dem standen Zehntausende entgegen, die in verschiedenen Teilen der Stadt mit Lust und Kreativität, mit Wut und krachenden Bässen demonstrierten - gegen Rassismus und Ausgrenzung, für eine bunte und offene Gesellschaft. "Berlin ist stärker", stand auf einem Transparent. Berlin, diese offene, bunte, manchmal zu laute und lästige Stadt zeigte sich stärker an diesem Sonntag. Ein ernster "Karneval der Kulturen" mit meist gut gelauntem und doch entschiedenem Protest: "Nationalismus raus aus den Köpfen…" Da zeigte die breite Gesellschaft, dass sie sich das Vielseitige und Gegensätzliche nicht nehmen lassen will und aufsteht.

Demonstrationen und Gegendemonstrationen gehören wesentlich zur Demokratie. Ein Streit, den das Land aushält und aushalten muss. Es ist wohl auch der Polizei zu danken, dass der Demo-Tag "weitgehend störungsfrei" blieb, wie ein Sprecher sagte. An einem schwül-warmen und politisch hitzigen Tag ermöglichten Einsatzkräfte aus verschiedenen Teilen Deutschlands das politische Gegeneinander, jenen Streit, der zur Demokratie gehört, auch den lauten Protest Berlins. Als die schreienden Stimmen der AfD-Redner verstummt, als die wummernden Bässe der Gegendemonstranten verklungen waren, bimmelte im Tiergarten hell die Freiheitsglocke. Kein schlechtes Bild für diesen Tag.

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