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Politik

Boris Johnson als Diktator

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
28. August 2019

Der britische Premier will den harten Brexit offenbar um jeden Preis. Er schreckt nicht mal davor zurück, das Parlament auszuhebeln. Das ist Politik nach Art lateinamerikanischer Militärdiktaturen, meint Barbara Wesel.

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UK Boris Johnson tritt in die 10 Downing Street ein
Bild: Getty Images/J. J. Mitchell

Der Speaker des britischen Parlaments nennt den Akt des Premierministers eine Ungeheuerlichkeit. Das ist noch ein verhaltener Ausdruck für die von Boris Johnson geplante Außerkraftsetzung parlamentarischer Rechte. Jetzt rächt sich eine Schwäche des britischen Systems, das zu viel Vertrauen auf Tradition und Herkommen setzt. Es fehlt eine moderne, geschriebene Verfassung, die solchen Willkürakten einen Riegel vorschieben könnte.

Ein Akt wie in einer Militärdiktatur

"Holt die Kontrolle zurück" war einer der Hauptslogans der Brexit-Kampagne vor drei Jahren. Allerdings hatten die Wähler damals wohl nicht daran gedacht, die absolute Macht in Boris Johnsons Hände zu legen. Im Gegenteil: Viel war davon die Rede gewesen, den Vorrang des britischen Parlamentes geltend zu machen. Niemand hatte es dagegen zum Ziel erklärt, einen ungewählten Premierminister, der wahrscheinlich nicht einmal über eine parlamentarische Mehrheit verfügt, allein über die Geschicke des Brexit und damit des Landes bestimmen zu lassen.

Der frühere Premier John Major und andere wollen jetzt versuchen, die Gerichte gegen Johnsons Handstreich anzurufen. Es wird sich zeigen, ob die institutionellen Sicherungen in Großbritannien jetzt noch halten. Die Opposition will mit einer Dringlichkeitsdebatte in der nächsten Woche versuchen, die handstreichartige Machtübernahme durch Boris Johnson im letzten Moment zu verhindern. Aber es bleiben dafür nur ein paar Tage, denn schon ab dem 10. September soll das Parlament wieder nach Hause geschickt werden, um erst kurz vor dem Brexit-Datum zurückzukehren. Die knappen Fristen machen es unmöglich, dann noch den mehrheitlichen Willen der Abgeordneten durchzusetzen.

Die Opposition aber, insbesondere die Labour Party, trägt eine Mitschuld daran, dass es zu dieser unerträglichen Situation kommen konnte. Sie hat drei Jahre mit Zweideutigkeit und Unentschiedenheit vertrödelt; sie hat nicht verstanden was der Brexit politisch wirklich bedeutet und die Chance versäumt, den Zug aufzuhalten.

Was Boris Johnson hier vollführt, ist ein Stück aus dem politischen Tollhaus, das einer lateinamerikanischen Militärdiktatur würdig ist. Es ist anti-demokratisch, ganz im Sinne der neuen Zerstörer vom Schlage der Trumps und Bolsonaros. Ihnen geht es um die Macht für sich und ihre Finanziers aus den Reihen der Superreichen. Demokratische Verfahren und institutionelle Kontrollen sind für sie lästiges Beiwerk.

Die EU darf sich nicht zum Helfershelfer machen

In den letzten Tagen gab es Gerüchte, dass mit kleinen Einzelregelungen eine Art Umgehungslösung in der irischen Grenzfrage gefunden werden könnte. Aber selbst wenn die EU bereit sein sollte, solche Wege kurz vor dem Brexit-Datum ohne gründliche Verhandlung und Überprüfung einzuschlagen: Sie darf sich in dieser Situation nicht zum Helfershelfer von Johnsons Willkürakt machen.

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Brüssel darf nicht mitspielen, wenn ein Mitgliedsland seine demokratischen Verfahren außer Kraft setzt, um handstreichartig die EU zu verlassen. Nur zur Erinnerung: Der Brexit basiert auf einem Referendum, das nur empfehlenden Charakter hatte und das mit knapper Mehrheit entschieden wurde. 

Großbritannien muss Widerstand leisten

Jetzt ist es allerhöchste Zeit für die verbleibenden Demokraten unter den britischen Konservativen, für die gesammelte Opposition, für die Wissenschaftler, Intellektuellen und alle, die sich sonst zu den mündigen Bürgern zählen, den Aufstand zu proben. Jahrelang hatte man das Gefühl, viele Briten lebten in einem Zustand der Irrealität. So als ob sie irgendwann aus dem bösen Brexit-Traum wieder aufwachen würden, und alles wäre wieder wie früher.

Boris Johnson ist der gefährlichste Politiker, der in den letzten Jahrzehnten in die Downing Street einzog. Er ist machtgierig, opportunistisch und völlig verantwortungslos. Er stellt - wie zuletzt bei den G7 - haltlose Behauptungen auf, stößt Drohungen gegen die Partner in der EU aus, schleimt sich beim US-Präsidenten ein und verfolgt dabei nur ein Ziel: Großbritannien auf Biegen und Brechen aus der EU herauszustoßen. Wie man jetzt sieht, ist Johnson dafür sogar bereit, das Parlament zu entmachten und die demokratische Verfasstheit des Landes außer Kraft zu setzen. Es ist ein Schachzug nach Art des Wladimir Putin. Wer jetzt in Großbritannien nicht aufwacht und sich wehrt, dem ist nicht mehr zu helfen.