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Politik

Informationskrieg 2.0 - Bots, Trolle und Populisten

Schaeffer Ute Kommentarbild App
Ute Schaeffer
24. Dezember 2016

Sprache schafft Wirklichkeit! Das wissen autoritäre Regime und Populisten aller Couleur. Auch Deutschland steht im Wahljahr 2017 am Beginn einer radikalen Veränderung des öffentlichen Raums, meint Ute Schaeffer.

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Symbolfoto Terrorismus und Social media
Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Was haben der Attentäter von Würzburg, die empörten Rechten in Bautzen, die demonstrierenden Russlanddeutschen in ihrem Protest um die verschwundene 13-jährige Lisa  und die Anhänger der "Identitären Bewegung" gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch sie alle beziehen ihre Informationen aus dem Netz, vernetzen, bestärken und radikalisieren sich dort.

Der öffentliche Raum in Deutschland ändert sich fundamental - was als Tweet oder Post im Netz beginnt, führt längst zu praktischer Gewalt, hat unmittelbare Wirkung auf den sozialen Zusammenhalt in Deutschland und auch auf Wahlergebnisse. Beispiele dafür gab es schon 2016 reichlich: Die gezielten Aggressionen bei den Feiern am Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober in Dresden und der Brandanschlag auf eine Moschee in der Stadt nur eine Woche zuvor. Polizeischutz für Abgeordnete wegen ihrer türkeikritischen Haltung. Der messbare Anstieg politisch motivierter Straftaten - eine Verfünffachung der Übergriffe auf Asylunterkünfte.

Meinungsbildung geschieht zunehmend im Netz

Der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 wird es zeigen: Wir stehen vor einer fundamentalen Veränderung des öffentlichen Raums in Deutschland. Wann gab es den letzten Leitartikel, der überall Diskussionen auslöste? Und grundsätzliche Debatten, die politische Orientierung geben und Wahlentscheidungen beeinflussen - werden sie eigentlich noch in den Parlamenten oder den Ortsverbänden der Parteien geführt? Oder ist das alles ausgelagert ins Netz, wo es oft rücksichtslos, menschenverachtend, ohne Fakten als reiner Meinungskampf ausgefochten wird?

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Ute Schaeffer ist stellvertretende Direktorin der DW Akademie und leitet dort den Bereich Medienentwicklung

Das sind weder verirrte Meinungen einer Minderheit im Netz, noch Diskussionen unter angeblich Abgehängten in Deutschland. Wer das glaubt, liegt verkehrt. Denn die verschiedenen Bewegungen - von der fremdenfeindlichen Protestbewegung Pegida, über die rechtsextreme und in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitäre Bewegung", bis zur russischen Agentur Sputnik oder den verschiedenen regionalen Ablegern der AfD - gehen im Netz eine enge Verbindung ein. Sie verstärken sich gegenseitig - und das auch über Landesgrenzen hinweg. Und sie bauen ihren Einfluss stetig und messbar über unterschiedlichste Plattformen aus. Das Netz macht aus ihren politischen Positionen Geschichten, bündelt ihre Motive und Begriffe.

Diese Netzkampagnen schaffen Helden: große politische Sieger wie Trump zum Beispiel. Aber sie berichten fundamentalistischen Anhängern im Netz auch über die verheerenden "Heldentaten" dschihadistischer Attentäter. Und sie geben Millionen Followern und Gruppenmitgliedern, die solche Geschichten teilen, die Gewissheit, Gleichgesinnte zu treffen und endlich Gehör zu finden. So haben diese das gute Gefühl, Wortführer in ihren Gemeinschaften im Netz zu sein, Agendasetter in Facebook-Gruppen, bei Twitter, bei den Nutzer-Kommentaren der großen Nachrichten-Websites.

Politik und Medien müssen sich Wertethemen stellen

Auf der Agenda dieser rechtsextremen und rechtspopulistischen Akteure  im Netz geht es um zentrale Themen für alle Menschen: um Zensur und Meinungsfreiheit, um die Frage, wie demokratische  Entscheidungsprozesse laufen, um die Frage, wie gerecht es in Deutschland zugeht? Dabei wird an vielen Stellen die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit unserer demokratischen Prozesse und Institutionen infrage gestellt - und die Werte einer offenen und toleranten Gesellschaft.

Das kann man nicht laut genug sagen! Denn es wird darauf ankommen, dass sich im Wahlkampf 2017 Parteien wie Medien in Deutschland diesen hochbrisanten Wertethemen stellen. Wer meint, man könne in Wahlprogrammen hierum einen Bogen machen, der ist auf dem falschen Weg!

Von Trump lernen, heißt siegen lernen - daraus machen AfD-Vertreter keinen Hehl bei öffentlichen Auftritten. Trump ist bekanntlich der Überzeugung: "Ich brauche keine Partei und keine Medien. Ich bin eine Bewegung!" Das gleiche gilt übrigens auch für Nichtdemokraten wie die Präsidenten Erdogan oder Putin. Sie alle setzen auf das Netz und die Art und Weise, wie es funktioniert: auf seine direkte Kommunikation, auf seine Vernetzung und die massenhafte Multiplikation von Inhalten über den Schwarm.

Einfache Sprache als Erfolgsfaktor

 "Das muss man doch sagen dürfen", fordert die AfD regelmäßig in ihren Statements. Einfache Sprache und ein kleines Set an klaren Botschaften tragen zu ihrem Erfolg bei: Zentrale Kampfbegriffe werden im Netz aufgebaut und dann in die politische Diskussion getragen: "Lügenpresse", "Migranten-Mob", "Volksverräter", "Islamisierung", "Umvolkung", "politischer Swingerclub" - die Liste lässt sich 2017 sicher fortschreiben. Solche Sprache ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die AfD.

Was die richtige Reaktion darauf wäre? Für Politik wie Medien gilt: glaubwürdig bleiben! Dazu gehört, weder die Themen, noch die Emotionen im Netz zu übersehen, noch sie klein zu reden. Sich darüber klar werden, dass Politik wie Medien dafür da sind, sich der Themen anzunehmen, die Menschen bewegen - und dass sie ihnen Rechenschaft schulden. Dass Faktentreue den Unterschied machen wird - spätestens nach der Wahl! Und dass das Rennen schon verloren ist, wenn man sich diesen schwierigen, aber für unsere soziale und politische Zukunft so wichtigen Debatten entzieht oder diese Themen einfach umgeht. Das wird nicht funktionieren!

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