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Politik

BRICS - Club der geplatzten Hoffnungen

2. September 2017

Damit der BRICS-Gipfel in Xiamen nicht nur ein Treffen der ehemaligen Hoffnungsträger wird, sollte Indien dem Gastgeber China nicht alleine die große Bühne überlassen, meint Alexander Freund.

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China | Xiamen bereit sich auf den 9. BRICS summit vor
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS.com

Für China ist der BRICS-Gipfel ab dem 3. September in Xiamen ein willkommener Anlass, vor dem wichtigen 19. Parteitag der Kommunistischen Partei noch einmal Größe zu demonstrieren. Nach Außen, vor allem aber nach Innen. Heikle Themen werden ausgeklammert, denn vor der Neuaufstellung der politischen Führungsriege kann sich Peking keine Störungen leisten. Stattdessen wird es vermutlich um konsensfähige Themen wie den freien Welthandel, den Klimaschutz oder die Cybersicherheit gehen. Nicht zuletzt stehen die Herausforderungen einer digitalisierten Wirtschaft, also das zentrale Thema des vorherigen indischen BRICS-Vorsitzes, weiter auf der Agenda.

Die große Bühne und die zur Schau gestellte Einigkeit können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich China längst von der Grundidee der BRICS-Gruppe verabschiedet hat, mit seiner "Neue Seidenstraßen-Initiative" eigene Pläne verfolgt und seine Vormachtstellung weiter ausbauen will.

Von Hoffnungsträgern zu Sorgenkindern

Erschwerend kommt hinzu: Von den ursprünglichen Hoffnungen ist wenig geblieben, die Zeiten des entfesselten Wachstums sind längst vorbei. Einst galten die fünf BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika als die neuen wirtschaftlichen Supermächte. Und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Fünfer-Club den trägen westlichen Industrienationen den Rang ablaufen würde. Aber diese Euphorie ist verflogen.

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Alexander Freund leitet die Asien-Programme der DW

Gastgeber China erwirtschaftet zwar zwei Drittel des gesamten Bruttoinlandsprodukts der BRICS-Staaten, aber auch in der Volksrepublik sind die Boom-Zeiten mit zweistelligem Wachstum längst Geschichte. 2016 lag das Wachstum bei 6,7 Prozent, hat sich also mehr als halbiert. Für 2018 sind sechs Prozent prognostiziert. Durch diesen "kontrollierten Sinkflug" will Peking die Binnenkonjunktur stärken und mehr auf Dienstleistungen statt auf Billigprodukte setzen. Ein riskantes Manöver, denn neben den bekannten Überkapazitäten in der Schwerindustrie, dem hochspekulativen Immobilienboom und der weitverbreiteten Verschuldung von Unternehmen schrumpfen so Chinas Devisenreserven noch schneller.

Weit düsterer sieht es in Russland aus: Durch den sinkenden Ölpreis und die Sanktionen des Westens wegen der Krim-Annexion schrumpft die Wirtschaft, der Rubel verliert weiter an Wert und die Preise klettern in die Höhe. In seiner Not hat Putin bereits begonnen, "Tafelsilber" zu verkaufen, sprich im großen Maße staatliches Eigentum zu privatisieren, um Geld in die leeren Kassen zu spülen.

Dramatische Situation In Brasilien

Noch dramatischer ist die Situation in Brasilien: Politisch und wirtschaftlich kommt der einstige Hoffnungsträger Lateinamerikas nicht mehr aus der Krise. Auch durch den niedrigen Ölpreis lässt die Wirtschaftskraft weiter nach, die Brasilianer konsumieren weniger, die Arbeitslosigkeit steigt. Schon vor der politischen Krise fehlt dem Staat das Geld, wie die ganze Welt bei der prestigeträchtigen Fußball-WM 2014 drastisch erkennen konnte.

Auch im afrikanischen BRICS-Staat Südafrika dümpelt die Wirtschaft auf vergleichsweise niedrigem Niveau vor sich hin. Das Wirtschaftswachstum hat sich in den 2010er-Jahren deutlich verlangsamt. Die Importe liegen weit über den Exporten, die Staatsverschuldung hat einen kritischen Level erreicht. Und neben den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschrecken politische Unsicherheiten und eine schlechte Regierungsführung ausländische Investoren, die so dringend benötigt würden.

Bleibt Indien als Hoffnungsträger innerhalb der BRICS-Gruppe, denn wirtschaftlich geht es auf dem Subkontinent klar bergauf: 7,6 Prozent Wachstum hat der Internationale Währungsfonds Indien für dieses und das nächste Jahr vorhergesagt. Selbst die früher oft zweistellige Inflationsrate ist inzwischen unter Kontrolle. Indien wird für das Ausland immer interessanter, zumal weitere Wirtschaftszweige für Auslandsinvestitionen geöffnet wurden. Die bürokratischen Hürden sollen weiter abgebaut und zahlreiche Regelungen zwischen den 29 Bundestaaten harmonisiert werden. Das weckt Hoffnungen. Gleichwohl steht Indien weiter vor großen Herausforderungen, denn noch sind mindestens zwei Drittel der Bevölkerung vom neuen Wohlstand ausgeschlossen. Und verglichen mit den 1970er-Jahren steht den 800 Millionen Indern, die auf dem Land leben, heute viel weniger Nahrung zur Verfügung. Ein unhaltbarer Zustand, vor allem für ein Mitglied der BRICS- Gruppe.

Neue Seidenstraße darf nicht zur Einbahnstraße werden

In der Gruppe der BRICS-Staaten nimmt Indien trotzdem durchaus zu Recht eine wichtige Rolle ein. Wenn diese Gruppe tatsächlich mehr sein will als nur ein Wortgebilde, dann braucht sie ein starkes gemeinsames Thema, bei dem alle an einem Strang ziehen. Dies wäre auch ein Weg, um die jüngsten Spannungen zwischen Indien und China abzubauen. Hier sollte Indien wichtige Impulse geben und die große Bühne nicht alleine China überlassen, das unter anderem mit seiner "Neue Seidenstraßen-Initiative" den eigenen Machtanspruch weiter ausbauen will. Denn wo Chinas Machtanspruch mit den Interessen der BRICS-Partner kollidiert oder wo die neue Seidenstraße zur Einbahnstraße wird, muss auch Indien alarmiert sein.

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DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund