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Buzzword-Bingo in den Bergen

25. Januar 2019

Das Weltwirtschaftsforum ist wie eine Executive Summary über den Zustand der Welt. Zu jedem Thema gibt es die passenden Schlagwörter, die Buzzwords. Dabei kann man zum Zyniker werden, meint Andreas Becker.

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Symbolbild | Bla Bla Bla
Bild: Colourbox/Studiostoks

Buzzword-Bingo - oft auch Bullshit-Bingo genannt -  ist denkbar einfach. Jeder Spieler erstellt eine Liste mit Schlagwörtern im Manager-Jargon, von denen er glaubt, dass sie in einer Diskussion fallen. Wer zuerst alle Buzzwords von seiner Liste streichen kann, hat gewonnen (Bingo rufen ist optional).

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos ist der perfekte Ort für dieses Spiel. Die versammelten "Eliten" aus Wirtschaft und Politik sind es derart gewohnt, in Buzzwords zu sprechen, dass eine hohe Trefferquote garantiert ist.

Die "Globalisierung 4.0" muss natürlich "inklusiver" werden, "fairer" und vor allem "nachhaltiger". Die Umweltzerstörung stellt die Welt vor große "Herausforderungen", die "Vierte Industrielle Revolution" verspricht gewaltige "Wachstumspotenziale", schafft aber auch wieder neue Probleme, denen sich die "Leaders" natürlich "proaktiv" stellen müssen, wenn sie "wettbewerbsfähig" bleiben wollen. Dabei muss ein "multilateraler Ansatz" verfolgt werden, um "win-win-Situationen" zu erzeugen - dieser Punkt wurde hier so oft wiederholt, dass Donald Trump sich persönlich angesprochen fühlen müsste, würde er denn zuhören.

Moral 4.0

Klaus Schwab, Gründer und Zeremonienmeister des Forums, forderte gar eine "Remoralisierung der Globalisierung" - und man fragt sich, wo die Moral den all die Jahrzehnte war, in denen in Davos all die Parolen ausgegeben wurden, die uns den derzeitigen Zustand eingebrockt haben.

Um das Bingo in den Bergen wirklich genießen zu können, müsste man allerdings ein Zyniker sein. Denn die Themen sind wichtig, die Probleme ernst.

Aber kann das WEF Lösungen bieten? Es scheitert ja schon am eigenen Anspruch, den Frauenanteil deutlich über 20 Prozent zu heben.

Becker Andreas Kommentarbild App
DW-Wirtschaftsredakteur Andreas Becker

Das WEF mag das Ziel haben, "den Zustand der Welt zu verbessern" (so das offizielle Motto). Aber die Firmen würden nicht hunderttausende Dollar an Mitgliedsgebühren zahlen, wenn es nur darum ginge.

Ihre Chefs können hier in wenigen Tagen so viele Kontakte pflegen und Geschäfte anbahnen, dass sie viel Zeit sparen. Und sie haben Zugang zu Staats- und Regierungschefs, denn das WEF sieht sich auch als Forum für "Public-Private-Partnerships" - noch so ein Buzzword.

Und die Politiker kommen, um Kollegen zu treffen, Investoren zu begeistern und sich der Weltöffentlichkeit zu präsentieren - für mediale Berichterstattung ist in Davos ja ausreichend gesorgt.

Ort der Widersprüche

Außer Spesen also nichts gewesen? Nicht ganz. Die Botschaft, dass sich etwas ändern muss, ist zumindest auch hier angekommen. Während des WEF 2019 wurden so viele Projekte für den Umweltschutz und eine gerechtere Welt vorgestellt, dass man sich fast bei den Globalisierungskritikern wähnte und ihrem Slogan "Eine andere Welt ist möglich". Davos ist ein Ort der Widersprüche.

Ob das etwas bringt, ob irgendjemand deswegen seine Meinung ändert? Gefragt, warum er ausgerechnet in Davos über seinen neuen Dokumentarfilm über die Folgen des Klimawandels sprach, sagte der britische Naturfilmer Richard Attenborough ganz unzynisch: Hier sind so viele einflussreiche Menschen, dass es unverantwortlich wäre, diese Möglichkeit nicht zu nutzen.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.