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Das Mysterium der beliebten Deutschen

Alexander Kudascheff25. Dezember 2014

Deutschland, eine stabile Demokratie - obwohl viele mit dem imperialistischen Russland sympathisieren und Kritik an den demokratischen USA üben. Woher kommt also die Beliebtheit, fragt sich Alexander Kudascheff.

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Berlin Feierlichkeiten 25 Jahre Mauerfall
Bild: picture-alliance/dpa/Rainer Jensen

Die Deutschen sind nach vielen historischen Verirrungen endlich im Westen angekommen. Hat ein namhafter Historiker festgestellt. Es stimmt. Das Lebensgefühl der Deutschen ist westlich, manche meinen sogar eher südlich. Die Deutschen lieben inzwischen einfach die Wärme und die Sonne. In der Politik aber sind sie nicht südlich. Sondern schwankend. Unsicher.

Russlandversteher

Natürlich finden sie das Verhalten Putins falsch, aber nicht ganz. Natürlich lehnen sie die Annexion der Krim ab. Aber nicht nur. Natürlich beteiligen sie sich an den Sanktionen gegen den Kreml, aber mit Vorbehalt und Sorge. Russland darf nicht kollabieren, heißt es, und damit zieht man die eigenen Sanktionen in Zweifel. Aber vor allem haben die Deutschen viel Verständnis dafür, dass Putin neoimperialistisch seine Interessen in der Ukraine durchsetzt. Es ist die nachvollziehbare Verpflichtung aus der russischen Geschichte und Kultur. Die Mehrheit der Deutschen - natürlich nicht alle - sind Russlandversteher.

Die Deutschen haben ein besonderes Verhältnis zu Israel. Das versteht jeder. Sechs Millionen ermordete europäische Juden verpflichten ohne Wenn und Aber, denkt man. Schaut man sich die Kommentare der - fast will man das Wort nicht schreiben - "normalen" Deutschen zum Gazakrieg an, weiß man, dass die Deutschen das eben nicht so sehen. Normalität und Normalisierung sind dabei nicht die Schlüsselworte, wie man vielleicht glauben könnte. Nein, die Deutschen haben ein besonderes Verhältnis zu den Palästinensern, auch zur Hamas, die ja offen zur Zerstörung des zionistischen Gebildes (einfach gesagt: Israel) aufruft und ein besonders kritisches Verhältnis zu Israel. Das Wort dafür heißt: Israelkritik, die erlaubt sein muss. Die Regierung (und große Teile der Opposition) halten immerhin Kurs. Sie wissen, wofür die Deutschen zu stehen haben.

Alexander Kudascheff DW Chefredakteur Kommentar Bild
DW-Chefredakteur Alexander KudascheffBild: DW/M. Müller

Amerikakritiker

Die Deutschen empören sich gerne - über andere. Vor allem die USA. Die sind meistens schuld - entweder weil sie agieren oder nicht. Da können die Deutschen gar nicht falsch liegen. Das ist Mainstream - von rechts bis links. Natürlich sind die Deutschen nicht anti-amerikanisch, sie sind ja im Westen angekommen. Aber der moralische Zeigefinger gegenüber "Uncle Sam" bleibt dauerhaft erhoben. Gesellschaft, Politik, Wirtschaft - mit diesem "American Way of Life" hat das Volk der Dichter und der Denker wenig zu tun. Es sucht seinen eigenen Weg? Im Westen - oder doch als europäisches Reich der Mittellage? Schwankend?

Die Deutschen sind ein Land der Tüftler, der Erfinder, der Ingenieure. Sie lieben den Konsens. Heute eher im linken Mainstream, denn konservative Haltungen haben es schwer und sind selten. Sie finden soziale Gerechtigkeit wichtiger als Freiheit. Sie träumen davon, in einer grünen Schweiz zu leben - auf einer Insel also. Die Aufforderung der Politik, sich mehr im Ausland zu engagieren, teilen sie - sofern es nicht ernst wird. Sie lieben den Umweltschutz und manchen Krötenwanderweg mehr als den Schutz bedrohter Menschen und Völker. Erstaunlicherweise sind sie ein besonders beliebtes Land im Ausland. Genauer: Sogar das beliebteste! Sagen zumindest die Engländer, die uns früher nicht mochten - aber jetzt feiern. Warum nur?