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Ungerecht und falsch

Peter Philipp9. Oktober 2007

Man sollte doch eher mit dem Finger auf Teheran und Jerusalem zeigen: Die Absage des deutsch-iranischen Fußballers Ashkan Dejagah für das U-21-Länderspiel in Israel kommentiert Peter Phillip.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Das passte doch mal wieder wunderbar in die immer noch eher langweilige politische Landschaft und gab Boulevardzeitungen wie politischen Hinterbänklern Gelegenheit, ihrer Empörung publikumswirksam Luft zu machen: Der deutsch-iranische Fußballspieler Ashkan Dejagah hatte erklärt, er könne aus persönlichen politischen Gründen nicht am geplanten U-21-Länderspiel in Israel antreten.

So gehe das nicht, wetterten Politiker von CDU und SPD gleichermaßen: Wo käme man denn hin, wenn Sportler entschieden, gegen wen sie antreten und gegen wen nicht. Der Sport dürfe nicht politisiert werden - argumentierten die, die eben dies taten. Wer sich als Deutscher oder Zugewanderter nicht zur deutschen Gemeinschaft bekenne, der müsse das Trikot der Nationalmannschaft abgeben. Und der Zentralrat der Juden schloss sich der Forderung an: Es gehe nicht an, dass ein Nationalspieler "einen privaten Judenboykott initiiere".

Recht hätten sie

Recht hätten sie, wenn der junge Mann erklärt hätte, er lehne Israel ab und wolle deswegen dort nicht spielen. Das aber hat er nicht gesagt. Er hat von persönlichen Gründen gesprochen und darauf hingewiesen, dass er eben nicht nur Deutscher ist, sondern auch Iraner. Wer sich jetzt den Mund zerreißt über ihn, zeigt doch nur, dass er nicht weiß, in welche Zwickmühle zugewanderte neue Deutsche geraten können und er zeigt auch, dass er von Integration offenbar wenig oder nichts verstanden hat.

Natürlich sollte ein Zuwanderer, der die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, versuchen, wirklich Teil der deutschen Gesellschaft zu sein. Es kann aber doch nicht heißen, dass er bei der Einbürgerung seine Vergangenheit, seine Herkunft und alles was damit zusammenhängt "am Eingang" abgibt. Natürlich hat er Verbindungen zur alten Heimat, hat Verwandte und Freunde dort, vielleicht auch Besitz. Jeder Deutschstämmige kann persönliche Bindungen zum Ausland haben, warum dann nicht der Einwanderer zu seiner alten Heimat?

Versicherung bitterer Feindschaft

Etwas anderes von ihm zu fordern, wäre ungerecht und falsch. In den meisten Fällen wird das ja auch respektiert - außer wenn die Politik ins Spiel kommt. Das ist beim Iran und bei Israel nun einmal der Fall. Nicht, weil dieser deutsch-iranische Fußballer das so will, nein: Die Verantwortlichen hierfür sitzen in Teheran und Jerusalem und versichern einander bittere Feindschaft. Ausbaden müssen dies die einfachen Leute, denen – wie im vorliegenden Fall – Strafen, zumindest aber große Unannehmlichkeiten drohen. Deutsche Medien wie auch Politiker täten gut daran, solche Dinge nicht hochzuspielen, vor allem aber: Ihnen nicht den falschen Zungenschlag zu verleihen. Immerhin: Gäbe es einen deutsch-israelischen Fußballspieler in der deutschen U-21 Nationalmannschaft und das Länderspiel fände im Iran statt, dann würde man selbstverständlich nicht darauf bestehen, dass er an diesem Spiel teilnimmt.

Integration hat eben auch in diesem Fall zwei Seiten: Die des Sich-Integrierenden und die der Gesellschaft, die ihn aufnimmt. Oder eben auch nicht aufnimmt. Integration kann nicht Selbstverleugnung bedeuten, sondern erfordert Rücksicht, Achtung und Respekt auf beiden Seiten. Im vorliegenden Fall vermisst man solches.

Und die populistischen Politiker-Sprüche sind schließlich noch aus anderem Grund deplatziert und überflüssig: Ashkan Dejagah ist bereits 21 Jahre alt und er kann also nur noch einige Monate in der U-21 Mannschaft spielen.