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Demokratie mit Ablaufdatum

Robert Schwartz8. Juli 2012

Die jüngsten politischen Entwicklungen in Rumänien werden auch in Deutschland mit Besorgnis verfolgt. Die Ereignisse kommentiert Robert Schwartz von der rumänischen Redaktion der Deutschen Welle.

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Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat es auf den Punkt gebracht: Politische Entwicklungen wie die in Rumänien können nicht einfach ignoriert werden. Aus Berlin und Brüssel wird verstärkte Besorgnis signalisiert über die Entscheidung des rumänischen Parlaments, den konservativen Präsidenten Traian Basescu des Amtes zu entheben. Europa ist endlich wach geworden.

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Robert Schwartz, rumänische Redaktion der Deutschen Welle

In Bukarest gibt man sich weiter gelassen und versteckt sich hinter dem dicken Vorhang des pseudo-demokratischen Parlamentarismus. Das neue sozial-liberale Regierungsbündnis kann sich auf eine komfortable Mehrheit im Parlament stützen, nachdem mehrere Abgeordnete aus der konservativen Opposition das Lager gewechselt und auch die früheren Koalitionspartner der Konservativen die Amtsenthebung Basescus unterstützt haben.

Die Vorwürfe gegen den Staatschef sind fadenscheinig: Er soll sich massiv in die Regierungsgeschäfte eingemischt und die Justiz beeinflusst haben. Tatsache ist, dass er den harten Sparkurs der konservativen Vorgänger-Regierung mitgestaltet hat. Rumänien war dadurch von der Krise weniger betroffen als andere Staaten in der EU. Und was die Justiz betrifft: Basescu gilt in der EU als Garant für eine unabhängige Justiz im Kampf gegen die Korruption. Doch gerade diese Unabhängigkeit der Staatsanwälte und Richter scheint den neuen Machthabern ein Dorn im Auge zu sein. Es war bestimmt kein Zufall, dass ein bedeutender Vertreter der sozial-liberalen Union die Unterordnung der Justiz als klares Ziel der totalen Machtübernahme definierte.

Die Einleitung des Verfahrens gegen den Präsidenten wäre allerdings nicht möglich gewesen, wenn das sozial-liberale Zweckbündnis unter Ministerpräsident Victor Ponta nicht im Vorfeld die wichtigsten demokratischen Institutionen gleichgeschaltet oder deren Entscheidungen ignoriert hätte. Mit der Entmachtung des Verfassungsgerichts und der direkten Kontrolle des Amtsblattes – es wurde per Eilverfahren der Regierung unterstellt – wurden alle Voraussetzungen geschaffen, um das erklärte politische Ziel – die Amtsenthebung des Präsidenten – rasch umzusetzen. Ein Referendum am 29. Juli soll die ganze Sache „demokratisch“ abrunden. Zu diesem Zweck hat die Regierung Ponta das Referendums-Gesetz einfach per Eilverfahren geändert. Bis jetzt mussten mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Bürger einer Amtsenthebung zustimmen, nun reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Wie die Wähler entscheiden werden, bleibt offen. 2007 war Basescu aus einem ersten Amtsenthebungsverfahren durch ein Referendum gestärkt hervorgegangen, doch seine Sympathie-Werte sind in den letzten zwei Jahren wegen der harten Sparpolitik geschrumpft. Jetzt liegt es an der demokratischen Zivilgesellschaft in Rumänien, die Aushöhlung des Rechtsstaates durch die sozial-liberale Regierung rechtzeitig zu stoppen. Die EU muss ihrer Rolle gerecht werden, Sanktionen auszusprechen, wenn die eigenen Standards nicht eingehalten werden. Geschieht dies nicht, kann die Demokratie in Rumänien ad acta gelegt werden. Mit dem Stempel: Abgelaufen.