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Politik

Der Elefant im Raum der EU

28. Dezember 2018

Wer den grassierenden Rechtspopulismus in Europa bekämpfen will, muss sich vor allem um das Thema Migration kümmern, meint DW-Redakteur Christoph Hasselbach.

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Spanien Enklave Melilla Flüchtlinge am Zaun
Bild: AFP/Getty Images/B.d. Avellaneda

Wo ist er geblieben, der europäische Geist der Zusammenarbeit und Versöhnung, an der Jahreswende zu 2019? Man muss sich nur die Situation in wenigen Mitgliedsländern ansehen, um zu dem Schluss zu kommen, dass es um die EU gerade extrem schlecht bestellt ist. 

Krisenherde überall

Großbritannien will ganz aus der EU austreten, möglicherweise völlig ungeregelt.

In Frankreich hat sich die frühere Lichtgestalt Emmanuel Macron schon wieder entzaubert. Normale Bürger in gelben Westen gehen in Massen auf die Straße, manche scheuen nicht einmal vor Gewalt zurück. Extremisten von Rechts und Links versuchen, sich die Stimmung zunutze zu machen.

Die populistische Regierung Italiens widersetzte sich im Haushaltsstreit erst offen der EU-Kommission. Diese ist Italien kurz vor Weihnachten dann sehr weit entgegengekommen, verzichtet auf ein eigentlich fälliges Defizitverfahren und verkauft das als Sieg der Vernunft über die Konfrontation. Die Dreistigkeit Roms dürfte bald Schule machen.

Die Regierungen Polens und Ungarns lenken im Streit um Rechtsstaatlichkeit ebenfalls immer erst dann und genau soviel ein, wie es unvermeidbar ist.

In Spanien als einem der letzten Bollwerke gegen den Rechtspopulismus hat in der Region Andalusien jetzt die stramm rechte Partei Vox starke Zugewinne erzielt. Sie huldigt Ex-Diktator Franco.

Angst vor der Europawahl

Der Rechtspopulismus ist das große Phänomen Europas. Rechte Parteien steigen in praktisch jedem Land der EU auf. Sie sind zum Teil schon, wie in Österreich und Italien, an der Regierung beteiligt. Die Bürger dort sind zufrieden.

Hasselbach Christoph Kommentarbild App
DW-Redakteur Christoph Hasselbach

Auch Deutschland bleibt nicht verschont. Obwohl inzwischen viel weniger Migranten und Flüchtlinge nach Deutschland kommen als 2015/16 und obwohl sich Bundeskanzlerin Angela Merkel längst von ihrer liberalen Flüchtlingspolitik verabschiedet hat, gehen die Zustimmungsraten für die AfD nicht zurück. Bei den im Herbst anstehenden Landtagswahlen im Osten könnte die AfD stärkste, mindestens jedoch zweitstärkste Partei werden.

Der entscheidende Stimmungstest für die gesamte EU kommt in wenigen Monaten bei der Europawahl. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass rechtspopulistische und europafeindliche Parteien dann noch stärker im Parlament vertreten sein werden als ohnehin schon. Die vernünftigen und gemäßigten Kräfte haben es dann noch schwerer.

Merkel und die Folgen

Ein Teil der Gründe für die politische Radikalisierung ist in jedem Mitgliedsland unterschiedlich. In Frankreich ist es die Selbstherrlichkeit des Präsidenten. In Spanien ist der Erfolg von Vox auch eine Reaktion auf den katalanischen Separatismus. In Italien speist sich der Stimmung gegen die EU vor allem aus der Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation - die sich freilich mit den Rezepten des Populismus nicht bessern lässt.

Doch das große gemeinsame Thema in allen Ländern ist die Migration - eine Migration, die weitgehend unkontrolliert und ungewollt ist. Solange Politiker der gemäßigten Parteien keine Antwort darauf finden, dürfte sich an dieser Stimmung nichts ändern. Angela Merkel trieb es vor drei Jahren auf die Spitze mit Sätzen wie, man könne die Grenzen gar nicht schließen und es gebe bei Asyl keine Obergrenze. Sie wollte die ganze EU für ihre verfehlte Politik einspannen - und hat sich damit vollkommen isoliert. Das wirkt noch immer nach.

Wer den Zustand der EU verbessern will, muss genau hier ansetzen: Die Menschen sehnen sich nach der Sicherheit, dass die Staaten und die EU als Ganzes die Kontrolle über die Migration zurückgewinnen.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik