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Der Irrsinn

Marko Langer Kommentarbild App PROVISORISCH
Marko Langer
12. April 2017

Nein, man muss nicht immer so weitermachen. Dass heute Abend in Dortmund Fußball gespielt wird, hält Marko Langer für eine höchst fragwürdige Entscheidung. Eine Absage hätte nicht bedeutet, sich der Gewalt zu beugen.

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Dortmund - Explosionen an BVB-Bus - Hans-Joachim Watzke
Bild: Getty Images/Bongarts/D. Mouhtaropoulos

Hans-Joachim Watzke (Artikelbild) ist nicht zu beneiden. Wer sich die Mimik des BVB-Geschäftsführers am Dienstagabend angesehen hat, kann sich ungefähr ausmalen, dass dies die härtesten Stunden im Leben eines Fußballmanagers sein dürften: erst die Auseinandersetzung um seine Sticheleien gegen den Rivalen RB Leipzig, dann die Dauerfehde mit den Dortmunder Ultra-Fans (die als Fans zu bezeichnen sich eigentlich verbietet) und nun der Anschlag auf das eigene Team. Watzke trägt Verantwortung, und er trägt daran nicht leicht.

Es ist wohlfeil, von außen Ratschläge zu geben: Die sollten nun dies tun oder das. Die Polizei sollte härter eingreifen. Die UEFA sollte doch .... und so weiter, und so fort. Trotzdem muss das Urteil erlaubt sein: Die Entscheidung, gleich heute Abend im Dortmunder Stadion Fußball zu spielen, ist problematisch - bei allem Respekt vor Herrn Watzke und denen, die hier die Verantwortung haben. Mehr noch: Sie ist falsch - auch wenn sie nicht vom BVB alleine, sondern in Absprache mit den Verantwortlichen von UEFA und AS Monaco erfolgte. 

An die Mannschaft appelliert ...

"Ich habe gerade in der Kabine an die Mannschaft appelliert, der Gesellschaft zu zeigen, dass wir vor dem Terror nicht einknicken", ließ Watzke am Vormittag über Twitter mitteilen. So wie man dem Manager am Dienstagabend dabei zusehen konnte, wie er die Situation erlebt, so hätte man nun gerne den Gedanken der Spieler zugehört. "Einer von uns liegt jetzt im Krankenhaus." "Wir wollen doch nur Fußball spielen." "Es ist unser Beruf." "Die Fans freuen sich auf das Spiel." "Nächste Woche ist schon das Rückspiel."

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Marko Langer, DW-NachrichtenredaktionBild: Sarah Ehrlenbruch

Das könnten so die Gedanken gewesen sein, und auch an dieser Stelle möchten wir nicht anmaßend sein. Doch man hätte die Dortmunder Fußball-Profis vor ihrer Professionalität schützen sollen. Und vielleicht auch Herrn Watzke vor sich selbst.

Denn: Wer sagt uns eigentlich, dass wir unter dem Eindruck von Terror und Gewalt immer so weitermachen sollen, als wäre nichts passiert? Therapeuten, die sich mit der Bekämpfung von Angstzuständen beschäftigen, können schildern, dass dieser Prozess Jahre in Anspruch nimmt. Und dass es fatal ist, sich dem nicht zu stellen. Doch wir in unserer leistungsorientierten, standhaften Gesellschaft glauben, dass alles an uns abperlt? An Spielern, ihren Partnern, an den Fans, an Zuschauern an den TV-Geräten, die vor lauter Terror-, Kriegs- und sonstigen Gewaltmeldungen kaum noch hinschauen mögen. Ich glaube das nicht.

Von Paris nach Dortmund

Ich glaube viel mehr, dass heute Abend viele Fußball-Fans mit sehr gemischten Gefühlen im Stadion stehen. Ich glaube auch, dass die jungen Männer auf dem Platz (der schwer verletzte Fußball-Profi Marc Bartra ist mit 26 Jahren schon einer der älteren Spieler) von Zeit zu Zeit überfordert sind, wenn sie immer ihre Höchstleistung zeigen sollen. "Für mich treten der Sport, das Spiel und die Gegentore völlig in den Hintergrund", sagte Bundestrainer Joachim Löw, nachdem rund um das Pariser Stadion, in dem Löws Mannschaft spielte, im November 2015 die Bomben explodierten.

Und nun? Die Show muss weitergehen. Bundesliga, Pokal, Rückspiel in Monaco schon nächste Woche, der Spielplan, die Termine und, und, und....

Na und? Wer auch immer diese Drecksbomben deponiert hat, er trachtete den Spielern von Borussia Dortmund nach dem Leben. Ihnen und ihren Angehörigen dürfte das brutal klar sein. Es ist ein großes und wunderbares Glück, dass nicht mehr passiert ist. Um nicht missverstanden zu werden: Es geht hier nicht um eine Anklage gegen das Kommerz-System Profisport. Alle im Stadion (und auch der Autor dieses Standpunkts) lieben diesen Sport - und es ist richtig, damit Geld zu verdienen. Aber gerade weil es dem Profisport so gut geht, hätte er sich hier eine andere Lösung einfallen lassen können. Innehalten. Einmal. Für die Spieler, für uns alle.

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