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Politik

Der Klimazirkus

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Felix Steiner
15. November 2017

Wird auf den Bonner Rheinwiesen in den nächsten zwei Tagen wirklich das Schicksal der Welt entschieden? Natürlich nicht, meint Felix Steiner. Aufwand und Ertrag der jährlichen Klimagipfel stehen in keinerlei Relation.

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Deutschland Bonn COP23
Manches auf dem Tagungsgelände der COP23 wirkt wie ein großer SpielplatzBild: DW/P. Große

Längst ist es ein Ritual im politischen Terminkalender des Jahres: Mitte November oder Anfang Dezember ist COP-Time - Zeit für die Conference of the Parties, der Unterzeichner der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. 196 Staaten sind das inzwischen sowie die EU als regionaler Staatenbund. Selbst wenn also alle nur einen Abgesandten schicken würden, bräuchte man schon einen größeren Konferenzsaal.

Doch damit ist es natürlich längst nicht getan. Denn bei der jährlichen COP, der 23. inzwischen, geht es um nichts weniger als die Rettung der Welt. Zumindest versuchen allerlei Protagonisten genau diesen Eindruck zu erwecken. So erscheinen denn auch pünktlich zum Klima-Event stets neue Studien, die sich in immer alarmistischeren Katastrophenszenarien ergehen: die Erde werde immer schneller immer heißer, die Stürme immer heftiger, die Eiskappen an den Polen immer kleiner. Und deswegen versinken auch allerlei Inselstaaten demnächst im Ozean.

Vor dem Untergang noch schnell die Konferenz leiten

Nur konsequent also, dass mit Fidschi nun erstmals einer der dem klimabedingten Untergang Geweihten dem jährlichen Palaver vorsitzen darf. Schauplatz des Schauspiels ist jedoch Bonn. Nicht weil Fidschi noch während der zweiwöchigen Konferenz in den Wellen untergeht - immerhin liegt der höchste Punkt der Fidischis auf 1324 Metern, da wäre der Konferenzort Bonn nur 60 Meter über dem Meer ja unlogisch gewesen. Nein, die kleine Inselrepublik wäre schlicht überfordert gewesen, 25.000 Gäste auf einmal zu beherbergen. Bonn als Standort des UN-Klimasekretariates sprang gerne ein, um sich als UN-Metropole weiter zu profilieren. Und dem deutschen Steuerzahler ist eine solche Werbeoffensive natürlich gerne weit über 100 Millionen Euro wert.

Zum Auftakt gab es reichlich Folklore aus Fidschi - adrette Männer mit Lederschürzen und nacktem Oberkörper sorgten für Südseeatmosphäre. Dass sich etliche dieser Kulturbotschafter schon am zweiten Konferenztag erkältet hatten, darf man sicher als gute Nachricht werten - zumindest im novembernebligen Rheintal ist die Erderwärmung wohl noch nicht so extrem fortgeschritten.

Tagesordnung einer mittelprächtig wichtigen Arbeitsgruppe

Was in Bonn tatsächlich verhandelt wird, klingt eher nach der Tagesordnung einer mittelprächtig wichtigen Arbeitsgruppe, als nach der größten zwischenstaatlichen Konferenz, die je auf deutschem Boden stattgefunden hat. Nach dem großen Klimavertrag, der vor zwei Jahren in Paris beschlossen wurde, geht es jetzt darum, wer welchen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll und wie man das eigentlich messen will. Verbindliches soll dabei noch nicht vereinbart werden, das hat man sich erst für kommendes Jahr vorgenommen. Dann trifft man sich im polnischen Kattowitz nämlich schon wieder.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Bleibt die Frage, weshalb es für ein derart nachrangiges Programm eigentlich die Bundeskanzlerin, den französischen Präsidenten und 25.000 weitere Teilnehmer braucht? Mit Blick auf die beiden Erstgenannten ist die Antwort einfach - es geht allein um Symbolik: Trump steigt aus, wir nehmen das Thema wichtig. Und die vom nahenden Weltuntergang überzeugten Wählerschichten nehmen es mit Genugtuung zur Kenntnis.

Selbstreferenziell und ein gutes Gewissen

Die Masse der 25.000 Teilnehmer ist indes gar nicht an den Verhandlungen beteiligt: Neben Journalisten sind das vor allem Vertreter von Nichtregierungsorganisationen - Umweltgruppen, Wissenschaftler, Unternehmen. Deren Präsenz sei ein Zeichen der Transparenz, diene dem Austausch und der Vernetzung, heißt es von offizieller Seite. Man könnte auch sagen: dem Einwerben von Aufträgen und neuen Fördermitteln, mit denen die nächste Katastrophenstudie finanziert werden kann.

Welchen Stellenwert der selbstreferenzielle Part des jährlichen Klima-Wanderzirkus hat, ist schon daran zu erkennen, dass dieser Teil des Tagungsgeländes in einer eigens auf gebauten riesigen Zeltstadt deutlich größer ist als der, in dem die Regierungen verhandeln. Damit die Damen und Herren, die ja nach ihrer eigenen Lesart schon mit der Anreise dem Klima massiv geschadet haben, wenigstens vor Ort kein schlechtes Gewissen haben müssen, hat man keine Kosten und Mühen gescheut: So wurde jeder verfügbare Elektrobus aus den Verkehrsbetrieben deutscher Städte nach Bonn gekarrt, um hier einen umweltfreundlichen Shuttle-Service einzurichten. Die Frage nach dem CO2-Ausstoß dieser Aktion stellt man besser nicht, erst recht, da der meiste Ladestrom in Bonn aus Braunkohlekraftwerken stammt. Eine ehrliche Antwort könnte ja das Wohlbefinden in den steuerfinanzierten Scheinwelten stören.

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