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Der vergessene Krieg im Jemen

14. August 2016

Seit gut 500 Tagen tobt der Krieg im Jemen. Anders als im Syrien-Konflikt scheint sich die Welt für das Sterben dort aber nicht zu interessieren. Das schadet der Glaubwürdigkeit des Westens, meint Matthias von Hein.

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Einschlagstelle einer saudischen Rakete in der jemenitischen Hauptstadt SanaaBild: Reuters/K. Abdullah

Seit dem 26. März 2015 bombt das reichste Land der arabischen Welt das ärmste Land der Region in Schutt und Asche - weitgehend unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit. Saudi-Arabien macht das nicht alleine: Es führt eine Koalition von neun Staaten an, wird logistisch unterstützt von den USA und Großbritannien. Sicher, die inner-jemenitischen Konflikte sind älter als diese gut 500 Tage. Der Streit vor allem zwischen Huthi-Rebellen und Anhängern des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh Saleh auf der einen Seite gegen den nach Riad geflohenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi hat auch schon vor dem Eingreifen der Saudis für Tote und Verletzte gesorgt. Aber eindeutig ist: Die massive Verschlechterung der humanitären Lage begann erst mit dem Bombenkrieg der Militärkoalition.

Die Dimensionen des Leids sind gewaltig in dem Land, in dem 25 Millionen Menschen leben: Über 6000 Jemeniten sind seit Beginn der Angriffe ums Leben gekommen, 15 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, drei Millionen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. 1,5 Millionen Kinder sind unterernährt. Die Infrastruktur ist in weiten Teilen zerstört, Krankenhäuser wurden bombardiert und Schulen, auch Flüchtlingslager. Die Vereinten Nationen erheben in einem vertraulichen Bericht für den Weltsicherheitsrat schwere Vorwürfe gegen alle Kriegsparteien. Regierungstruppen, Huthi-Rebellen, aber eben auch die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition hätten gegen das Völkerrecht verstoßen und die Menschenrechte verletzt. Allein radikale Gruppen wie Al-Kaida und der jemenitische Ableger des IS profitieren von dem politischen Chaos in dem Land.

Kein Aufschrei der Weltöffentlichkeit

Der sonst so schnell ertönende Aufschrei der internationalen Gemeinschaft ist im Fall Jemen bislang leise verhallt. Stattdessen scheint die Welt wegzusehen. Zum Beispiel, wenn Saudi-Arabien die weltweit geächteten Streubomben einsetzt. Oder wenn das Königreich wie im Juni die Vereinten Nationen mit dem Entzug von Mitteln erpresst, damit es von der "Liste der Schande" gestrichen wird. Darauf sind Länder und Organisationen versammelt, die Kindersoldaten rekrutieren oder Kinder töten. Zuvor hatte ein UN-Bericht ergeben, dass über 60 Prozent der getöteten Kinder auf das Konto der saudischen Militärkoalition gehen. Oder als Saudi-Arabien seine Position im UN-Menschenrechtsrat ausnutzte, um eine Untersuchung über Menschenrechtsverletzungen aller Konfliktparteien im Jemen zu verhindern.

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DW-Redakteur Matthias von Hein

Vergangene Woche ist die bislang letzte Chance auf eine diplomatische Lösung gescheitert. Vordergründig, weil Huthi-Rebellen einen Vorschlag der Vereinten Nationen abgelehnt haben. Aber dieser Plan sah die Entwaffnung der Huthis vor, ohne ihnen in irgendeiner Form einen Platz am künftigen Tisch der Macht zu geben. Dass sie diese Kapitulationserklärung abgelehnt haben, kann nicht überraschen. Prompt wurden die während der Verhandlungen in Kuwait zwischenzeitlich zurück gefahrenen Luftangriffe der saudischen Koalition diese Woche wieder aufgenommen. Erneut vor allem mit Opfern unter der Zivilbevölkerung.

Mehr US-Waffen für Riad

Anstatt jedoch Druck auf Riad auszuüben, hat das US-Außenministerium am Dienstag den Verkauf weiterer Waffen im Wert von rund einer Milliarde Euro an Saudi-Arabien genehmigt. Mindestens für die Jemeniten ist es an Zynismus kaum zu übertreffen, wenn in der Genehmigung Saudi-Arabien als "führende Kraft für politische Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung" gerühmt wird.

Aber auch deutsche Waffenschmieden machen mit bei der Rüstungsorgie in Saudi-Arabien. Und das mindeste, was Deutschland im Sinne seiner internationalen Glaubwürdigkeit tun könnte, tun müsste wäre: jegliche Waffenexporte nach Saudi-Arabien stoppen.

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Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein