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Kommentar: Deutschland im WM-Fieber

Marco Vollmar9. Juni 2006

Die Fußballweltmeisterschaft findet zum zweiten Mal in Deutschland statt. Sie steht unter dem Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden". Aus Sicht des Gastgebers symbolisiert dieses Motto Freude, aber auch Verpflichtung.

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Glaubt man der Mathematik, dann holt die Mannschaft von Jürgen Klinsmann den WM-Titel. Denn statistisch gesehen wird Deutschland in Deutschland immer Weltmeister - zumindest war dies bei der bisher einzigen WM in Deutschland 1974 der Fall. Aber im Ernst: Sportlich sind die Weichen für ein erfolgreiches Turnier gestellt. Der deutsche Kader - eine ausgewogene Mischung zwischen jung und alt und mit Hilfe amerikanischer Trainingsmethoden fit gemacht - kann sich bis auf wenige Ausnahmen auch international durchaus sehen lassen.

Jürgen Klinsmann und sein Trainerstab haben kompromisslos auch gegen Widerstände Entscheidungen getroffen und sich weder von den Medien noch von einflußreichen Verbands- und Vereinsfunktionären reinreden lassen. Das ist positiv, weil mutig und unkonventionell, und wird den Spielern den Rücken stärken.

Doch "die Wahrheit liegt auf'm Platz", wie die Fußballer sagen. Oder anders gesagt: Am Ende zählt das Ergebnis. Das Abschneiden der deutschen Mannschaft wird letztlich darüber entscheiden, wie die Arbeit von Klinsmann zu bewerten ist.

Nicht zu unterschätzen ist der Heimvorteil des deutschen Teams. Die Fans werden der zwölfte Mann sein. Sie stehen hinter der Mannschaft, das hat der Confederations-Cup im vergangenen Jahr und die Vorbereitung in den letzten Tagen gezeigt. Weltmeisterlich auch die Arbeit des Organisations-Komitees unter Leitung von Franz Beckenbauer. Die Stadien sind fertig, sicher und bereit für die erwarteten Zuschauermassen. Fast 98 Prozent der Eintrittskarten sind verkauft - das hat der Weltorganisation des Fußballs, FIFA, einen weiteren Rekordgewinn beschert. Dass ganze Fanblöcke in den Stadien leer bleiben, wie bei der Europameisterschaft in Portugal vor zwei Jahren, davon ist nicht auszugehen.

Die Angst vor gewaltbereiten Fans, Neonazis und Terroristen bleibt. Aber auch hier haben die Verantwortlichen so weit wie möglich vorgesorgt. Die deutschen Sicherheitskräfte, verstärkt durch über 200 ausländische Polizisten, sind auf den Ernstfall vorbereitet und können flexibel und schnell reagieren. Sicherheit für deutsche und ausländische Fans wird also nicht nur in den Stadien und den Fanmeilen großgeschrieben. Jeder Mensch - egal ob Deutscher oder Ausländer - soll sich frei und unbehelligt in Deutschland bewegen können, trotz steigender Zahlen von rassistisch motivierten Überfällen und Gewalttaten. Das Motto der WM "Die Welt zu Gast bei Freunden", da sind sich alle Verantwortlichen einig, wird nicht zu einer Worthülse verkommen. Klar ist aber auch, dass niemand ernsthaft eine hundertprozentige Sicherheit garantieren kann.

Die WM - also eine riesige, vierwöchige Fußball-Party? Ja - und das trotz kleinlichster, im Einzelfall fast schon demütigender Bestimmungen und Regularien der FIFA. Ja - trotz einer fortschreitenden bis an Hysterie grenzenden Kommerzialisierung der Ware Fußball, die so langsam aber sicher an ihre Grenzen stößt. Ja - trotz eines zwar durch das Internet scheinbar gerechten und transparenten, in Wirklichkeit aber letztlich dennoch undurchschaubaren Ticketverkaufs-Systems, dass es vielen Fans leider nicht ermöglicht hat, live bei einem Spiel dabei zu sein.

Milliarden Fernsehzuschauer werden in den nächsten vier Wochen das Fußballfest in Deutschland verfolgen. Die Deutschen werden dabei natürlich die Daumen drücken, dass der englische Profi Gary Lineker Recht behält, der Fußball als ein Spiel definiert hat, "in dem 22 Männer hinter einem Ball herlaufen und am Ende gewinnt Deutschland". Die Chancen dazu stehen gar nicht so schlecht.