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Politik

Dialog in Zeiten der Entfremdung

10. Mai 2018

Fast schon zwangsläufig rücken Deutschland und Russland enger zusammen. Doch Außenminister Heiko Maas spricht bei seinem Besuch in Moskau auch über die vielen Streitthemen. Zu Recht, meint Christian F. Trippe.

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Außenminister Maas in Russland
Bild: Getty Images/AFP/Y. Kadobnov

Beabsichtigt war das wohl kaum: Die USA haben Russland politisch erheblich aufgewertet. Dies ist einer der vielen Nebeneffekte, den US-Präsident Donald Trump durch seine einseitige Aufkündigung des Atom-Deals mit dem Iran erzielt hat. Auch die Regierung in Moskau will den Nuklear-Deal unbedingt erhalten, und der Kreml sieht somit die Westeuropäer auf einmal an seiner Seite. In Paris, Berlin und London ist nur zu gut bekannt, wie engmaschig die russischen Kontaktnetze in Teheran sind. Iran und Russland sind Verbündete, sie kämpfen im Syrienkrieg auf derselben Seite.

Was dem Westen bislang ein Dorn im Auge war, gereicht Russland nun zum Vorteil. Trumps autistische Politik kann nur begegnet werden, wenn im Iran die Hardliner nicht die Oberhand gewinnen. Und einwirken auf die Mullah-Führung vermag vor allem der Kreml. Kurzum: Moskaus Chefdiplomat Sergeij Lawrow kann gelassen auf ein Stück neugewonnener Verhandlungsmacht blicken. 

Russland als feindselige Macht?

Diese weltpolitische Tektonik war dem deutschen Außenminister Heiko Maas bewusst, als er am Donnerstag zum Antrittsbesuch in Moskau war. Doch das war nicht seine einzige Hypothek. Maas hatte sich gegenüber Moskau neu positioniert, indem er auf Abstand ging zu seinen beiden Vorgängern. Beide SPD-Politiker wie Maas, beide in Russland als "russlandfreundlich" angesehen.

In einem Interview hatte Maas gesagt, Russland handle "zunehmend feindselig". Dafür war er in Deutschland laut gescholten worden - vor allem in der eigenen Partei, der SPD. In der deutschen Sozialdemokratie glauben viele, das ostpolitische Erbe Willy Brandts nur durch Verständnis für Putins neo-imperiale Ambitionen und Nachsicht gegenüber dem autoritären Kurs des Kreml retten zu können. Diese Grundhaltung der deutschen Sozialdemokratie führt mitunter zu bizarren Momenten.

Ostentative Nähe zu Putin

Alt-Kanzler Gerhard Schröder steht mittlerweile in Diensten des staatlichen russischen Energieriesen Gazprom. Der SPD-Politiker stellt seine Freundschaft zu Waldimir Putin ungehemmt zur Schau. Bei Putins Amtseinführung Anfang der Woche stand Schröder in der ersten Reihe, zwischen dem russischen Patriarchen Kyrill und Premier Medwedjew. Mehr Nähe zur Macht im Kreml geht nicht.

Deutsche Welle Dr. Christian F. Trippe TV Berlin
DW-Redakteur Christian F. TrippeBild: DW/B. Geilert

Nun also Maas mit seiner Distanz. Der kremlfreundliche Teil der deutschen Öffentlichkeit - und der besteht beileibe nicht nur aus Sozialdemokraten - hatte von ihm gefordert, er solle unbedingt den Dialog mit Russland wieder aufnehmen. Maas konterte in Moskau, er wolle einen "echten Dialog, nicht einen um des Dialoges willen".

Langes Sündenregister vorgehalten

Die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die Militärhilfe für die  Separatisten in der Ost-Ukraine, Hackerangriffe auf deutsche Institutionen, mangelnder Aufklärungswille in der Giftgas-Affäre Skripal und schließlich der Militäreinsatz im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Diktator Assad, verbunden mit einer Blockade des Weltsicherheitsrates. Die lange Liste der Streitthemen liest sich aus deutscher Sicht wie ein Register russischer  Sündenfälle. Schon die bloße Aufzählung lässt ahnen, wie sehr Berlin und Moskau einander politisch entfremdet sind.

Der deutsche Außenminister hat all das an- und in Moskau öffentlich ausgesprochen. Und dennoch ist es ihm gelungen, die Dinge wieder ein wenig in Bewegung zu bringen. So wurden ein paar Projekte zwischen Deutschland und Russland angeschoben - zur Zusammenarbeit von Hochschulen, zur Veteranenfürsorge, zum Austausch über sicherheitspolitische Themen. Das ist kein atemberaubender Neuanfang, sondern nüchternes Herantasten.

Diese sehr behutsame Annäherung wäre wohl auch möglich gewesen, wenn Trump den Iran-Deal nicht aufgekündigt hätte. Doch erst Washingtons Alleingang macht solche kleinen Schritte bedeutsam.


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