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Politik

Die CDU macht auf konservativ - ein bisschen!

8. Dezember 2016

Angela Merkel gilt in ihrer Partei noch immer als alternativlos. Und dennoch formiert sich ausgerechnet ein Jahr vor der Wahl erster Widerstand. Ein Vorgeschmack auf die Zeit nach dieser Kanzlerin, meint Volker Wagener.

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Das CDU-Präsidium hatte beim Bundesparteitag in Essen nicht nur gute LauneBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die gute Nachricht zuerst: Die CDU kann noch streiten - wenigstens bei einem Parteitag. So soll es eigentlich grundsätzlich sein, ist aber bei den Christdemokraten eher die Ausnahme. Denn die CDU ist eine vertikal organisierte Politik-Familie: Im Zweifel werden Leitanträge der Parteispitze von den Delegierten einfach abgenickt. Auf offener Bühne streiten, das machen die Grünen, die Sozis. Nicht aber die braven Enkel Adenauers und Kohls.

Diesmal war es anders: plötzlich eine überraschende Kampfabstimmung über Antrag C28. Es ging um die Frage, ob der Ausnahmefall, zwei Pässe haben zu dürfen, noch gelten soll. Sie wurde zum Showdown zwischen Parteiführung und Teilen der Basis. Und die Parteispitze verlor. Ein klarer Fall von überraschendem Ungehorsam gegenüber Angela Merkel, Innenminister Thomas de Maizière und Generalsekretär Peter Tauber.

Mit Symbolpolitik punkten

Dahinter steht der Wunsch des Bauches der Partei, wieder konservativer sein zu wollen. Wie geht das aber mit Merkel, der personifizierten politischen Mitte? Noch sind Wahlen nur mit ihr an der Spitze zu gewinnen, aber an der weiteren Expedition in Richtung urbaner Moderne wollen nicht mehr alle teilnehmen. Eine Mehrheit - wenn auch eine knappe - stellte sich gegen Merkel und den erst vor zwei Jahren mühsam ausgehandelten Doppelpass-Kompromiss mit dem Koalitionspartner SPD.         

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DW-Redakteur Volker Wagener

Und die Kampfansage an den Doppelpass ist nicht irgendein Politikthema, mit dem sich Teile der Partei auf die Suche nach dem verlorenem konservativen Profil begeben. In Essen befassten sich die Delegierten mit mehr als einem Dutzend Anträgen, die allesamt ein Ziel hatten: die Verschärfung der Ausländer- und Sicherheitsgesetze. Antragsteller war zumeist die Junge Union, die sich gerade deutlich rechts neben der Mutterpartei positioniert. Keine Frage, die CDU entdeckt die innere Sicherheit wieder und gibt damit schon ein Wahlkampfthema für 2017 vor. Eines, das polarisieren wird wie lange nicht mehr in einem Wahlkampf.   

Denn die doppelte Staatsbürgerschaft ist schon lange ein hoch aufgeladenes Thema in der Union. Die CDU-Hessen hatte mit dem Thema 1999 sogar die Landtagswahl gewonnen und Roland Koch zum Ministerpräsidenten gemacht. Konservativ sein, hieß damals gegen die Zwei-Pässe-Praxis zu sein. Die Wiederentdeckung dieses emotionalen Themas in AfD-Zeiten hat hohen Symbolwert - mehr aber auch nicht. Denn politisch umsetzen lässt sich der Delegiertenwille von Essen nicht. Mit wem denn auch? Die SPD ist zwar empört über den "Doppelpass-Anschlag", freut sich aber insgeheim schon darüber, sich endlich inhaltlich abgrenzen zu können. Klar ist: Es wird keinen Wohlfühl-Wahlkampf geben im kommenden Jahr.

Lager-Wahlkampf schon beschlossene Sache

Im Gegenteil. Die Zeichen stehen auf Lager-Wahlkampf. Den hat Merkel jetzt schon im eigenen Laden und sie selbst heizt ihn ordentlich an: Der Parteitag war kaum vorbei, da watschte sie die Rebellen gegen den Doppelpass öffentlich ab. Sie halte die Entscheidung für falsch und werde den Kompromiss mit der SPD nicht aufkündigen - so sprach sie unmittelbar nach dem Parteitag in die TV-Kameras. Die Delegierten hatten davon kein Wort in ihrer achtminütigen Schlussrede gehört. Da wünschte sie nur eine gute Heimreise. So geht man nur vor, wenn der Gegner schon in den eigenen Reihen steht! Kein Zweifel, in der CDU rumort es programmatisch gewaltig - Essen hat das deutlich gemacht. Merkels Modernisierungskurs in Richtung Mitte bleibt nicht mehr unwidersprochen. Das ist ein erster Vorgeschmack darauf, was der CDU nach Merkel bevorsteht.

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