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Politik

EU auf Entdeckungsreise

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
27. Februar 2020

Es ist eine Premiere: Die fast komplette EU-Kommission zu Besuch bei den Kollegen der Afrikanischen Union in Addis Abeba. Nur dort findet die EU die globalen Partner, von denen sie träumt, meint Barbara Wesel.

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Äthiopien Addis Abeba | Treffen Afrikanische Union & Europäische Union | von der Leyen & Faki Mahamat
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Moussa Faki Mahamat, ihrem Amtskollegen von der AUBild: picture-alliance/Anadolu Agency/M. Wondimu Hailu

Sie kann sich nicht ganz mit dem britischen Afrika-Forscher David Livingstone vergleichen, der im 19. Jahrhundert den schwarzen Kontinent erforschte. Aber auch Ursula von der Leyen ist eine Art Pionierin: Sie machte ihre erste große Reise bereits kurz nach Amtsantritt im Dezember in die äthiopische Hauptstadt. Jetzt hat sie die fast komplette EU-Kommission dorthin mitgenommen. Das ist mehr als ein Zeichen, das ist ein politisches Fanal! 

Die Kommissionpräsidentin hat nach ihrer Wahl erklärt, sie wolle eine geopolitische Rolle für ihre Behörde in Brüssel. Die EU müsse sich weltweit engagieren, wenn es um Sicherheit, Wohlstand oder Klimawandel gehe. Schluss also mit dem innereuropäischen Klein-Klein und mutig den Schritt getan ins Weite.

Wenn nicht Afrika, wer dann?

Allerdings zeigt ein Blick in die Welt, dass es mit der Partnersuche derzeit nicht einfach ist: Die alten Freunde in den USA haben sich abgewendet, Russland ist ein regelrechter Gegner, China ein rücksichtsloser Konkurrent und auch auf den Autokraten Erdogan in der Türkei kann die EU kaum noch setzen. Hinzu kommt der Verrat durch die treulosen Briten. Auch deshalb lag Afrika für die EU noch nie so nah wie heute.

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Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Ganz so neu ist die Entdeckung des Nachbar-Kontinents allerdings nicht. Schon vor vier Jahren begann die EU mit Initiativen und Kooperationsangeboten. Es gab ein Gipfeltreffen von EU und AU in der Elfenbeinküste und Angela Merkel wie Emmanuel Macron reisten mehrfach in afrikanische Hauptstädte, um das gemeinsame Interesse am Wohlergehen und an der Zukunft Afrikas zu unterstreichen. Überhaupt geht diese Neuausrichtung der EU stark von Berlin und Paris aus, die in Afrika sowohl wirtschaftliche Chancen (etwa in Nigeria) wie gefährliche sicherheitspolitische Probleme (zum Beispiel in der Sahelzone) sehen. Spätestens seit der Flüchtlingskrise von 2015 und der nachfolgenden Migration aus schwarzafrikanischen Ländern ist klar, dass die Ursachen vor Ort bekämpft werden müssen. Die Entscheidung für eine neue Afrikapolitik der EU ist also nur folgerichtig.

Die Europäer müssen sich allerdings fragen, ob sie den Zug nicht schon verpasst haben. Seit Jahren engagiert sich China massiv in afrikanischen Ländern und schaufelt Milliarden Investitionen dorthin. Das gilt im wahrsten Sinne des Wortes - chinesische Arbeiter bauen in Afrika Straßen, Eisenbahnen, Häfen und überhaupt Infrastruktur in jeder Form. Allerdings sind das keine Geschenke im Sinne von Entwicklungshilfe, sondern es geht zum Beispiel im Gegenzug um Schürfrechte für Bodenschätze. Einige afrikanische Staaten sind auch schon regelrecht in chinesische Schuldknechtschaft geraten.

Spät, wenn nicht zu spät

Die EU tritt hier ausgesprochen spät auf den Plan. Sie hat den großen Aufbruch in vielen Ländern regelrecht verschlafen. Warum haben die Europäer jahrelang bewegungslos zugeschaut, wie chinesische Firmen entlegene Regionen mit Straßen und Brücken erschlossen? Die Regierung in Peking betrachtet ihr Engagement als eine Investition in die Zukunft und Ausbau ihrer globalen Position. Inzwischen muss die EU kämpfen, um als Mitspieler und Partner überhaupt noch eine Rolle zu spielen. 

Die Inaktivität der Europäer hat natürlich nicht nur mit mangelnder politischer Weitsicht zu tun. Politisch ist ein großer Teil Afrikas für sie schwer begehbarer Boden - regiert von Autokraten, Kleptokraten und was sonst an wenig demokratisch gesinnten Eliten den eigenen Leuten das Leben zur Hölle macht. Es ist für die EU schwierig und manchmal unmöglich, mit ihnen Geschäfte zu machen. Sie muss zumindest Minimalanforderungen an die Verwendung von Finanzhilfen stellen. Mit Mordregimen kann sie aus moralischen Gründen überhaupt nicht zusammenarbeiten. Die Regierung in Peking ist da natürlich weniger empfindsam.

Es wird nicht einfach

Aber auch wenn man die Extreme in schlechter Regierungsführung außen vor lässt: Der Umgang mit vielen Ländern ist auch deshalb nicht einfach, weil ihre politischen Führer häufig zwischen Minderwertigkeitsgefühlen und Großmannssucht schwanken. Nichts ist so beliebt wie die Forderung, die Europäer müssten ihnen auf Augenhöhe begegnen. Da möchte man mehr als einen afrikanischen Politiker bitten, dann wenigstens auch ungefähr auf Augenhöhe zu regieren.

Die EU hat in Afrika eine heikle Aufgabe vor sich, die viel Fingerspitzengefühl einerseits wie einen Schuss Prinzipientreue andererseits erfordert. Ihre Verhandlungsführer werden endlose Geduld, viel Verständnis und eine Menge Einfühlungsvermögen brauchen. Und man muss hier klotzen und nicht kleckern. Die großen EU-Mitgliedsländer müssen auch bereit sein, große Projekte mit viel Geld zu unterstützen. Ob sich das Ganze für die Europäische Union lohnt, weiß niemand. Aber richtig ist, dass sie es zumindest versucht haben muss.