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Politik

Die ideale UN-Generalsekretärin

Barbara Wesel
30. September 2016

Bulgarien hat Kristalina Georgiewa für das Spitzenamt bei den Vereinten Nationen nominiert. Max Hofmann und Barbara Wesel nennen fünf Punkte, welche für die EU-Kommissarin als Nachfolgerin von Ban Ki Moon sprechen.

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Belgien EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa in Brüssel
Bild: Getty Images/AFP/E. Dunand

1. Wegen ihrer Persönlichkeit:

Wer sie in offiziellen und inoffiziellen Situationen, auf Treffen und Konferenzen zwischen Prag und Brüssel erlebt hat, weiß: Was du siehst, ist das, was du bekommst. Georgiewa ist authentisch. Sie ist lebendig und sagt ihre Meinung und sie hört ihren Gesprächspartnern aufmerksam zu. Sie kann komisch sein und ihre Zuhörer mit spöttischen Bemerkungen zum Kichern reizen, sogar die ernsten Eurokraten. Georgiewa hat schon bei Haushaltsverhandlungen Gelächter provoziert, was sie als Meisterin der Rhetorik ausweist.

Sie würde auf jeden Fall der Kommunikation in den UN ein paar neue Facetten hinzufügen wie Mühelosigkeit und Humor. Gleichzeitig ist die Bulgarin grenzenlos fleißig und hart wie Stahl. Ihre engen Mitarbeiter in Brüssel bezeichnen sie als nicht zu bremsen. Alle in ihrem Kabinett sind jünger als sie und arbeiten im Schichtbetrieb, um bei ihrem Tempo mitzuhalten. In zwei Tagen fliegt sie durch sieben Zeitzonen und ist immer wach und präsent. Eine brauchbare Fähigkeit für eine UN-Generalsekretärin.

2. Weil sie aus Osteuropa kommt:

Das offensichtliche Argument ist, dass es noch nie einen UN-Generalsekretär aus dieser Weltregion gegeben hat. Aber es ist nicht das einzige für die Bulgarin. Osteuropa hat eine Beziehung zu den Problemen, denen Europa und die Welt gegenüberstehen. Georgiewas Heimat liegt an der Frontlinie der Flüchtlingskrise, ist Nachbar der Türkei und nur 1.500 Kilometer von Aleppo entfernt, Symbol eines grauenerregenden Konfliktes. Bulgarien liegt auch nah an Moldawien und der Ukraine, Länder die in einen "frozen conflict" mit Russland verstrickt sind.

Hofmann Maximilian Kommentarbild App
Max Hofmann ist Leiter des DW-Studios Brüssel

Georgiewa hat den eisernen Vorhang fallen sehen und den Wandel in Osteuropa miterlebt. Die Kandidatin hat die Unterstützung vieler Länder in der Region. Und sie könnte sogar für Moskau akzeptabel sein. Dort hat sie zwei Jahre gelebt, als sie von 1993 bis 2010 für die Weltbank gearbeitet hat. Die Ökonomin spricht gutes Russisch und hat beste Verbindungen im Land, und sie hat Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow getroffen. Wenn die beiden wirklich einen Osteuropäer für das Amt in New York wollen, dann ist Kristalina Georgiewa die Kandidatin mit den besten Chancen, die konkurrierenden Lager bei den Vereinten Nationen für sich zu gewinnen.

3. Weil sie eine Frau ist:

Es ist Zeit für eine Frau an der Spitze der UN. Ein Drittel der Mitgliedstaaten und zahllose Organisationen machen sich dafür stark. Es gibt ein Unterschied zwischen einem Anzug und einem Hosenanzug. Angela Merkel gehört zu Georgiewas politischen Unterstützerinnen. Und die Bulgarin hat ein paar der dringend gebrauchten Fähigkeiten: Aus ihrer Zeit bei der Weltbank bringt sie internationale und ökonomische Kenntnisse mit. Gleichzeitig ist sie praktisch und ergebnisorientiert geblieben. Und sie zeigt wenig persönliche Eitelkeit, was sie von vielen Männern in dem Feld unterscheidet.

Gleichzeitig hat die EU-Kommissarin genug Charme, um politische Gegner zu Kompromissen zu bewegen und hinterher weiter deren Zuneigung zu genießen. Neben ihrer Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen, loben ihre Freunde an ihr, dass sie nicht schwafelt. Kristalina Georgiewa beginnt ihre Ausführungen meistens mit: "Ich habe nur drei kurze Dinge zu sagen..." Und manchmal hält sie sich sogar daran.

4. Weil sie frischen Wind bringt:

Georgiewa kennt internationale Institutionen, aber sie ist nicht Teil der UN- Maschinerie. Im Gegensatz zu ihrem Rivalen Antonio Guterres. Sie wird einen frischen Blick auf die Probleme mitbringen. Im Europaparlament wird Georgiewa "Action woman" genannt - und das ist ein Kompliment. Die Bulgarin kann mit allen reden: Von den Linken bis zu den EU-skeptischen Konservativen. Sie ist unzeremoniell und liebt praktische Resultate. Probleme löst sie nicht nach ideologischen Kriterien, sondern nach dem, was machbar ist.

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Sie ist keine Frau der politischen Theorien, der Unterscheidung von links oder rechts. Gleichzeitig erkennt sie die drängenden Themen: "Die Menschen haben überall Angst", sagte sie in einem Interview zu ihrer Kandidatur. "Unsere Krisen heute überschneiden sich. Sogar die Jungen, Gebildeten, Urbanen und Wohlhabenden haben Angst." Demgegenüber ist die bulgarische Politikerin selbst eine unerschrockene Frau - dass braucht sie bei der UN.

5. Wegen dieser Geschichte:

Von 2010 bis 2014 war Georgiewa EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe. Sie war in Urlaub, als Pakistan 2010 von heftigen Überschwemmungen getroffen wurde. Ihre Mitarbeiter wollten sie erst nicht anrufen, taten es dann aber doch. Die Kommissarin unterbrach ihre Ferien und flog umgehend nach Pakistan. Der Flug war verspätet und kam erst um sechs Uhr früh an. Also wollten ihre Begleiter alle Pläne nach hinten schieben, um ihr ein paar Stunden Schlaf zu verschaffen. Aber das war nicht in ihrem Sinne. "Schlaf ist eine erneuerbare Energie", wird sie zitiert. "Wir verbrauchen sie jetzt und erneuern sie später." Trotz der Verspätungen kam Kristalina Georgiewa als eine der ersten in der Katastrophenregion an. Einer der wenigen, der vor ihr eintraf, war UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

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