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Die Lügen des Martin Winterkorn

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Henrik Böhme
15. April 2019

Die Anklage gegen Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ist der nächste Schritt in der juristischen Aufarbeitung des VW-Dieselbetrugs. Der Mann sollte sich ehrlich machen, meint Henrik Böhme.

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Martin Winterkorn - Volkswagen
Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Ostrop

Es war ja nur eine Frage der Zeit. Da können sie bei Volkswagen noch so oft von der elektrischen Zukunft schwärmen und das jetzt alles besser werde: Die Vergangenheit werden sie in Wolfsburg so schnell nicht los. Nach dem gigantischen Betrug mit den Diesel-Autos brauchte es halt nur eine ziemlich lange Zeit, bis sich die viel zu dünn besetzte Staatsanwaltschaft in Braunschweig durch die riesigen Aktenberge gearbeitet hatte. Jetzt also hat sie Anklage erhoben: Gegen Martin Winterkorn, bis zum Ausbruch von Dieselgate im September 2015 Konzernchef von Volkswagen. Und gegen vier weitere Personen, vermutlich aus seinem direkten Umfeld - aber diese Namen behielt die Staatsanwaltschaft vorerst für sich.

Die Vorwürfe gegen Winterkorn wiegen schwer: Betrug in einem besonders schweren Fall, dazu ein Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und Untreue, plus Steuerhinterziehung plus Falschbeurkundung. Eine Menge Holz für Winterkorns Anwälte, die nun an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen müssen: Denn in den USA wird er schon seit einem Jahr per Haftbefehl gesucht und auch die Börsenaufsicht SEC hat Winterkorn und VW vor einem Monat verklagt, weil diese nach Meinung der Behörde die Anleger getäuscht hätten.

Schwere Bürde fürs Image von VW

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Damit zieht sich die juristische Schlinge um Volkswagen nun endlich auch in Deutschland zu. Strafen wie in den USA sind zwar in dieser Höhe nicht zu erwarten (dort hat der Konzern bislang an die 30 Milliarden Dollar gezahlt). Aber für die Reputation des Unternehmens ist die juristische Aufarbeitung eine schwere Last. Denn immer wieder, wenn die hässlichen Schlagzeilen nun auftauchen, werden potentielle Autokäufer sagen: Stimmt, das waren ja die Betrüger!

Und es ist ja nicht der Fall Winterkorn allein. Da sind die anderen vier, gegen die Anklage erhoben wurde. Und selbst das ist nur der Anfang. Insgesamt wird in Braunschweig wegen verschiedener Vorwürfe gegen 36 Personen ermittelt, darunter der einstige Finanzchef des Konzerns, Hans Dieter Pötsch (heute immerhin Chef des Aufsichtsrats!). Und auch den amtierenden Konzernchef Herbert Diess haben die Ermittler im Visier. Dazu klagen Anleger in einem Musterverfahren auf Schadenersatz in Milliardenhöhe, Tausende Diesel-Fahrer, die sich per Sammelklage zusammengeschlossen haben, wollen ebenfalls Geld sehen.

Sag die Wahrheit!

So also sieht er aus, der Aufbruch in die automobile Zukunft bei VW: unterbrochen von lästigen Gerichtsterminen! Man darf gespannt sein, wie sich Deutschlands bestbezahlter Rentner (Winterkorn bekommt 3100 Euro Pension - täglich) vor Gericht verhält. Einsichtig und seine Schuld eingestehend oder doch lieber mit der "Ich habe davon nichts gewusst"-Masche? Bislang jedenfalls hat er sich damit durchgemogelt. Er, der auf Automessen rumnörgelte, wenn an anderen Wagen nichts klapperte; er, der jedes Spaltmaß kannte. Der über die physikalischen Zusammenhänge Bescheid wusste - und sich doch nicht wunderte, wieso seine Diesel auf einmal so sauber daher kamen.

Wenn Martin Winterkorn irgendetwas von seinem Lebenswerk retten will, dann sollte er endlich damit beginnen, die Wahrheit zu sagen.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58