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Politik

Langweiligste Bundestagswahl aller Zeiten?

Engel Dagmar Kommentarbild App (Foto: DW)
Dagmar Engel
23. September 2017

Deutschland wählt und am Ende ist Angela Merkel Bundeskanzlerin - wie schon bei den drei Wahlen zuvor. Selbst wenn es so kommt: Das Rennen ist noch nicht gelaufen, spannende Fragen sind weiter offen, meint Dagmar Engel.

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Berlin Wahllokal zur Bundetagswahl
Bild: Getty Images/M. Hitij

Nicht gelaufen ist die Wahl ganz offensichtlich schon einmal deswegen, weil die Wahllokale erst am 24.09.2017 um 18:00 Uhr MESZ schließen. Den ganzen Sonntag also läuft sie noch, die Wahl. Alles, was wir bisher meinen zu wissen, beruht auf Vorab-Umfragen. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr sind wir in Europa zweimal mit ziemlich sicheren Umfrageergebnissen schlafen gegangen und mit dem Brexit beziehungsweise Donald Trump wieder aufgewacht.

Ganz so schlimm wird es diesmal wohl nicht werden. Zu groß ist die erwartete Stimmen-Differenz zwischen der Union Angela Merkels und den Sozialdemokraten, als dass man am Ende mit einem neuen Regierungschef in Deutschland rechnen dürfte. Die Finanzmärkte haben in ihrer unnachahmlichen Arroganz ohnehin schon beschlossen, dass alles so bleibt, wie es ist - stabil also. Das stimmt den Börsianer fröhlich, und der Rest ist ihm egal, zumindest auf geschäftlicher Ebene.

Bald eine Dreier-Koalition?

Wenn er sich da mal nicht täuscht, der Börsianer: Auch diesmal wird keine Partei allein regieren können. Und so mächtig Angela Merkel auch ist - in Koalitionen muss auch sie an vielen Stellen nachgeben und so manche Kröte schlucken. In der vergangenen Legislaturperiode hat die SPD ihr den Mindestlohn aufgedrückt. In der nächsten könnte es der Abschied von der Braunkohle sein, den die Grünen gegen sie durchsetzen wollen. Oder ein Einwanderungsgesetz, das die FDP will, die Union aber überhaupt nicht. Vielleicht muss sie sogar beides schlucken, wenn es für eine Koalition aus Union und nur einer anderen Partei nicht reicht. Da sinkt die Berechenbarkeit und die Streitbereitschaft steigt.

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Dagmar Engel leitet das DW-Hauptstadtstudio

Reichen wird es voraussichtlich wieder für eine Koalition mit der SPD. Aber die Sozialdemokraten wollen eigentlich nicht mehr mitmachen bei einer von der CDU geführten Regierung. Denn die Erfahrung lehrt, dass sie dabei Stimmen verlieren.  Spannend ist die Frage, wie viele es diesmal sind. Bleibt die SPD unter 25 Prozent der abgegebenen Stimmen, wird sie wohl in die Opposition gehen. Liegt das Ergebnis nur um 20 Prozent, erlebt die Welt vielleicht auch schon am Sonntag den Rücktritt von Martin Schulz als Parteichef. Angetreten war er vor einem halben Jahr, 30 Prozent zeigten die Umfragen damals für die SPD. Wenn der Absturz kommt: ein wahres Drama auf offener politischer Bühne.

Für den Zusammenhalt der Gesellschaft

Aber alles im Rahmen deutscher demokratischer Tradition. Ein ganz anderes Gewicht jedoch hat die Frage, wie viele geschichtsvergessene Wählerinnen und Wähler es unter den Deutschen gibt. Nicht alle, die die AfD wählen, sind rechtsradikale Nationalisten oder Rassisten. Aber jeder, der diese Partei wählt, muss inzwischen wissen, wem er da seine Stimme gibt. Diese Wahl gewinnen können die Rechtspopulisten nicht, mit ihnen regieren wird auch niemand.  Außenpolitisch bedeutet ihr Erstarken einen Ansehensverlust für Deutschland, ist aber ansonsten für den Rest der Welt bedeutungslos. Aber die Rechtspopulisten werden weiter den politischen Diskurs im Land beeinflussen. Das heißt, sie werden - mit mehr oder weniger Gewicht - mitentscheiden, welche Richtung Deutschland nimmt. Am Stimmenanteil für die AfD wird sich zeigen, wie tief die Spaltung der Gesellschaft hierzulande ist. Und wie groß damit die Aufgabe für die nächste Regierung, die den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern hat - in einem offenen, modernen Deutschland in Europa.

Ob das gelingt, hängt auch von der Zusammensetzung des Parlaments und damit der Regierung ab. Das ist es, was die Deutschen an diesem Sonntag entscheiden. Aufregend.

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