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Die Luft ist raus

Philipp Bilsky2. Februar 2015

Zum ersten Mal seit Wochen hat es in Hongkong wieder prodemokratische Proteste gegeben. Doch es gingen weniger Menschen auf die Straße als angenommen. Die Bewegung hat deutlich an Schwung verloren, meint Philipp Bilsky.

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Luftballons bei Hongkonger Straßenprotest (Foto: Getty Images /AFP)
Bild: Getty Images/AFP/P. Lopez

Es war die Frage, die sich vor Beginn der Demonstrationen jeder stellte. Und die Frage, die doch keiner seriös beantworten konnte: Wie viele Demonstranten würden am Sonntag auf die Straße gehen, um eine demokratische Wahl des Hongkonger Verwaltungschefs zu fordern – und zwar ohne Vorauswahl der Kandidaten. Von einigen Tausend bis hin zu Zehntausenden lauteten die Schätzungen. Die Organisatoren hatten sogar mehr als 50.000 angekündigt. Jetzt sind die Zahlen bekannt: Nur rund ein Fünftel ist gekommen. 13.000 sagen die Organisatoren. Weniger als 9.000 die Polizei. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Rund 10.000 ist immer noch eine beeindruckende Zahl. Und doch zeigt sie: Die breite Masse, die sich noch im Herbst 2014 hinter der Forderung nach einer "wirklichen Wahl" versammelte, lässt sich derzeit in der ehemaligen britischen Kronkolonie nicht mehr mobilisieren. Und dafür dürfte es vor allem zwei Gründe geben. Zum einen zeigte die Bewegung schon in den letzten Wochen des vergangenen Jahres Ermüdungserscheinungen. Wochenlang hatten vor allem junge Menschen Straßenkreuzungen besetzt und im Freien campiert. Zum Schluss war offenbar bei vielen die Luft raus. Die Zahl der Demonstranten ging immer weiter zurück, bis die Regierung dann die drei Protestlager nacheinander räumen ließ: Erst im Regierungs-Viertel Admiralty, dann in Mong Kok auf dem Festland und schließlich in Causeway Bay östlich des Regierungsviertels.

Philipp Bilsky (Foto: DW)
Philipp Bilsky ist Leiter der DW-ChinaredaktionBild: DW/M.Müller

Regierung nicht bereit nachzugeben

Ein weiterer Grund für das Abflauen der Massenproteste dürfte die unnachgiebige Haltung der Hongkonger Regierung und der Regierung in Peking sein. Denn die hat sich seit Beginn der Proteste – zumindest was die Hauptforderung der Demonstranten angeht – kaum verändert. Hongkongs Vize-Verwaltungschefin Carrie Lam, die im Herbst die Gespräche mit den Studentenführern geführt hatte, erklärte noch Mitte Januar: Die konstitutionelle Entwicklung in Hongkong müsse auf der Hongkonger Verfassung, dem Basic Law, sowie auf der Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China basieren. Und Verwaltungschef Leung Chun-ying erklärte, "Aktionen, die illegal sind und die öffentliche Ordnung stören", würden das Handeln der Regierung nicht beeinflussen.

Was bedeutet das für die ehemalige britische Kronkolonie? Demonstrationen wie die am Sonntag wird es wohl auch in Zukunft weiterhin geben. Doch dass wieder Menschenmassen auf die Straße ziehen wie noch im Herbst 2014, ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Und dass sich die Hongkonger Regierung und Peking von diesen erheblich geringeren Zahlen beeindrucken lassen, ist kaum zu erwarten. Ein Mehr an Demokratie – so wie von den Demonstranten gefordert – dürfte es in naher Zukunft für Hongkong nicht geben.