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Gegen die Todesstrafe

Helle Jeppesen9. Oktober 2006

Die Todesstrafe wird von immer mehr Ländern geächtet. Derzeit sind es 128 Staaten. Doch in den 68 Staaten, die weiterhin die Todesstrafe verhängen, wohnen drei Viertel der Weltbevölkerung.

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Kommentar-Symbolbild

Ein chinesisches Sprichwort besagt: "Wer zur Gewalt greift, kennt keine Argumente". Die Todesstrafe ist die ultimative Gewalt, die ein Land gegen seine Bürger einsetzen kann. Nur ein Staat, der meint, über den Menschenrechten zu stehen, wird sich ein solches Urteil erlauben. Im Klartext heißt die Todesstrafe: Du bist kein Mensch. Denn laut UN-Menschenrechtskonvention ist die Würde der Menschen unantastbar. Eine Hinrichtung ist würdelos, unabhängig davon, ob sie mit dem Seil, der Giftspritze oder einer Kugel ausgeführt wird - würdelos nicht nur für das Opfer, dem das Erste und das Letzte, was es besitzt, geraubt wird, nämlich sein Leben. Sondern auch für den Staat, der keine angemessenen Antworten weiß.

Strafe, keine Rache

Ein Mensch kann seine Rechte verwirken. Ein Mensch kann Verbrechen begehen, die der Staat bestrafen muss. Die Spielregeln sind klar: Eine strafbare Handlung muss innerhalb eines festgelegten Strafrahmens gesühnt werden. Doch die Bestrafung, so der Grundsatz der Demokratie, muss im Verhältnis zur Tat stehen. Sie soll Täter und Gesellschaft verdeutlichen, welches Verhalten nicht akzeptiert wird. Strafe soll abschreckend wirken, soll den Täter zur Einsicht bringen und das Opfer entschädigen. Niemals aber darf Strafe bloße Rache sein.

Mit der Todesstrafe erhebt sich der Staat nicht nur über die Würde des Menschen, er wendet auch eine Strafe an, deren Wirkung bezweifelt werden darf. In den US-amerikanischen Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, ist die Rate der Tötungsdelikte höher, als in den Staaten, die die Todesstrafe abgeschafft haben. Seit Kanada die Todesstrafe abgeschafft hat, ist die Rate der Tötungsdelikte sogar stark zurückgegangen.

Rache und Ohnmacht

Bleibt das Argument: Ein toter Mörder kann nicht noch einmal morden. Das stimmt natürlich. Doch statistisch gesehen sind die meisten Täter, die wegen Mordes verurteilt sind, keine Massenmörder, die immer wieder morden würden. Es sind Menschen, die in einer bestimmten Situation und meist im Affekt einen anderen Menschen umgebracht haben. Und das bringt die Diskussion um die Todesstrafe auf das zurück, was sie eigentlich ist: Rache und Ohnmacht.

Auge um Auge, Zahn um Zahn - wenn das die Regeln der Gesellschaft wären, würde sie in einem heillosen Gemetzel enden. Ein Staat muss über solchen menschlichen Regungen stehen, die für Opfer und Angehörige durchaus legitim sind. Doch ein Staat, der Menschen tötet und der sich damit selbst zum Mörder macht, lebt vor, was er in seiner Gesellschaft vermeiden will. Ein Staat, der Todesstrafen verhängt, kennt keine Argumente, sondern setzt die ultimative Gewalt ein, weil er keine anderen Antworten hat. Deswegen ist die Todesstrafe ein Zeichen für die Ohnmacht des Staates.