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Politik

Die Rechtspopulisten haben das Sagen

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
30. Juni 2018

Die EU hat entschieden, ihre Grenzen gegen Flüchtlinge dicht zu machen. Sie erlaubt damit den Rechtspopulisten, Europa ihre Ziele zu diktieren. Was fehlt, ist der Widerstand der Demokraten, meint Barbara Wesel.

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Fidesz-Wahlplakat in Budapest
Wahlplakat der Regierungspartei Fidesz in UngarnBild: DW/F. Facsar

Ob das Ergebnis dieser EU-Gipfel nun die deutsche Bundeskanzlerin rettet oder nicht, dass wurde nicht in Brüssel entschieden - darüber müssen sich jetzt die Neo-Populisten in München die Köpfe zerbrechen. Der künstlich inszenierte Streit um die Macht in Berlin hat mit den Fakten gegenwärtiger Migration in die EU bekanntermaßen nichts zu tun. Es ist überhaupt eine Zumutung, wie eine Handvoll größenwahnsinniger Bayern versucht hat, die gesamte EU als Geisel zu nehmen und für ihre Machtübernahme vom liberaleren Merkel-Flügel der deutschen Konservativen zu instrumentalisieren.

Hochkonjunktur für Populisten

Das Unglück wollte es, dass ausgerechnet Österreich im nächsten halben Jahr die Ratspräsidentschaft in Europa übernimmt. Kanzler Kurz ergreift begeistert die Gelegenheit, der EU einen Rechtsschwenk zu verpassen, wie ihn seine Konservativen in Wien durch das Bündnis mit der rechtsextremen FPÖ schon vollzogen haben. Die zeigt sich in inniger Umarmung mit der Lega in Italien, wo Matteo Salvini sich als neuer "Duce" in der Nachfolge Mussolinis sieht und die Menschenverachtung zu einer neuen Kunstform erhebt.

Und in Freundschaft verbunden ist diese neue Achse der Rechtsausleger auch dem Ungarn Viktor Orbán, dem Vater der Lügenkampagnen, Hetzreden und des hemmungslosen Populismus in Europa. Sein Rezept heißt: Man muss den Leuten nur lange genug einreden, dass Ausländer und Migranten ihre Feinde sind, dann werden sie es schon glauben. Und in Ungarn funktioniert das ganz hervorragend.

Hat sich die CSU in Bayern schon einmal Gedanken darüber gemacht, welcher Art von Hasspredigern und Rattenfängern sie hier nacheifert? Haben diese Bayern alle im Geschichtsunterricht gefehlt und die Mechanismen nicht verstanden, wie autoritäre Herrschaft entsteht und demokratische Strukturen zerstört werden? Gerade für Deutsche ist das ein politisches Armutszeugnis!

Freiheitliche Demokratie oder neuer Nationalismus?

Das komplizierte System EU ist ein Produkt der freiheitlichen Demokratien in Europa. Es basiert auf ausbalancierten Rechten und Verpflichtungen der Mitglieder, dem Geist der Kooperation und der Solidarität, die inzwischen schon fast zum Schimpfwort geworden ist. Die Parole "Italien zuerst" aber, wie sie jetzt von der neuen Regierung in Rom vorgeführt wurde, der Wiederaufstieg des egoistischen Nationalismus ist ein tödliches Gift für Europa. Entweder gilt das System der Kompromisse, des Ausgleiches und des gemeinsamen Interesses - oder der nationale Eigennutz. Beides zusammen geht nicht.

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Barbara Wesel ist Europa-Korrespondentin in Brüssel

Derzeit scheint der neue Nationalismus Konjunktur zu haben. Aber die verblüffende Kurzsichtigkeit seiner Verfechter bedeutet, dass sie dabei sind den Ast abzusägen, auf dem wir alle sitzen. Wenn Viktor Orbán in Ungarn seine Privatautokratie errichtet, kann er das nur tun, weil er von Milliarden aus Brüssel gestützt wird. Hilft er die EU zu zerstören, wird er fallen wie ein Kegel.

Europa hat uns über Jahrzehnte Freiheit, Wohlstand und Frieden gebracht. Wie blind müssen gerade die Konservativen in Bayern sein, um zu ignorieren, dass sie - gemeinsam mit dem Norden Italiens - in erster Linie durch die EU zu einer der wohlhabendsten Regionen der Welt geworden sind? Allein die Schließung der offenen Grenzen im Schengen-Raum wird in kürzester Zeit Milliarden kosten. Und das alles wegen einer ideologisch getriebenen Hysterie, die Migranten zum größten politischen Übel erklärt.

Wo bleibt übrigens die Humanität? Und wo die sogenannten christlichen Werte? Die Bayern sollten, statt Kreuze in den Amtsstuben aufzuhängen, lieber die Tugend der Mitmenschlichkeit pflegen. Aber die einzige, die es noch wagt vorsichtig auf Menschenrechte hinzuweisen, ist Angela Merkel. Doch leider kommt sie damit nicht mehr weit.

Europa verpasst seine echten Themen

Ohne große Gegenwehr ergibt sich die EU derzeit dem Druck der Populisten. Und sie verpasst darüber ihre echten Themen: die drohende Demontage der NATO, der Handelskrieg mit Donald Trump, vernachlässigte Regionen und Bevölkerungsschichten, die Digitalwirtschaft - es wäre genug zu tun! Aber es scheint, dass die Demokraten in Europa den Zeitpunkt zur nötigen Gegenwehr verpassen. Angela Merkel ist geschwächt, Emmanuel Macron kalkuliert rein machtpolitisch und insgesamt fehlt das politische Gegengewicht, um den Kern Europas zu verteidigen.

Ausgerechnet die Konservativen aus Bayern aber tragen zu diesem desolaten Zustand kräftig bei. Betrachtet allerdings die CSU in ihrem Drang, sich als deutsche "Lega Sud" zu profilieren, die jüngsten Umfragen, müsste sie ins Grübeln kommen. Ihre Vorkämpfer Söder und Seehofer sehen sich in der Wählergunst im freien Fall. Als überzeugter Europäer kann man ihnen nur eine weitere rasante Talfahrt wünschen.

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