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Spionagevorwürfe gegen TikTok sind Unsinn

8. August 2020

Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ich meine Daten auf einer chinesischen, US- oder europäischen Plattform öffentlich verbreite. Wenn ich mich nackt mache kommen ohnehin alle an mein Profil, meint Fabian Schmidt.

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Bild: picture-alliance/NurPhoto/J. Porzycki

Die Datensammelwut des chinesischen Regimes  kann einem Angst und Bange machen. Die Totalkontrolle,  die die Kommunistische Partei ihren Bürgern auferlegt, stellt selbst das in den Schatten, was George Orwell in seiner Horror-Utopie 1984 entworfen hat. Orwell konnte ja, als er im Jahr 1948 sein Werk geschrieben hat, noch nicht ahnen, was das Internet-Zeitalter einmal alles möglich machen würde.

Und natürlich müssen wir uns angesichts der aggressiven und expansiven Außenpolitik von Peking auch Sorgen um den Schutz unserer Daten machen. Dazu gehört auch, sich nicht auf chinesische G5-Technologie zu verlassen,  wo unsere Sicherheitsexperten kaum ausschließen können, dass nicht irgendwo Hintertüren für Spionage eingebaut sind.

Eine Karaoke-Bühne für Extrovertierte

Deshalb aber einen Kreuzzug gegen TikTok  zu starten, ist völlig absurd. TikTok ist zunächst einmal vor allem ein Spielplatz für Extrovertierte, die sich ohnehin nicht um den Schutz ihrer persönlichen Daten scheren. Es ist vergleichbar mit einer Karaoke-Bühne, wo sich jeder mal richtig austoben darf.

Porträtbild: Schmidt Fabian
DW-Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt

Wer bei TikTok etwas einstellt, will ja gerade, dass die ganze Welt es sieht. Wer das nicht möchte, nutzt auch kein TikTok. Anders als etwa Facebook, hat TikTok gar nicht gedacht für Menschen, die sich nur mit engen Freunden oder Verwandten vernetzen wollen.

Insofern unterscheidet sich TikTok auch nicht grundlegend von vielen anderen Social-Media-Plattformen wie zum Beispiel Twitter, in denen jeder Post so transparent ist, wie es der Amateurfunk früher war: Was in den Äther geht, kann jeder hören.

Firmen machen, was die Geheimdienste längst können

Was bei TikTok und Twitter rausgeht, kann jeder lesen, anschauen und noch viel mehr: Kommerzielle Datensammler können die Social-Media-Webseiten genauso systematisch abschöpfen wie alle Geheimdienste dieser Welt. Das betrifft auch die meist öffentlich sichtbaren Seiten von Facebook und Instagram.

Verschiedene Instagram-Betrachtungsprogramme wie Instaviewer haben daraus sogar ein Geschäftsmodell gemacht: Sie verkaufen Werbung an Menschen die Instagram nutzen wollen, ohne sich anzumelden.

Wie verdient TikTok Geld?

Datenkraken kommen auf diesem Wege an gigantische Mengen biometrischer Daten:  Gesichter auf Bildern und Stimmen auf Videos. Sie können Bewegungsprofile erstellen von denen, die sich dort extrovertieren oder auch von Menschen, deren Freunde und Bekannte das tun.

Sie haben Einblick in das Privatleben von Menschen, sogar in ihre sexuellen Vorlieben. Bei Dating-Plattformen wie Tinder liegen jede Menge Daten, die jemanden später auch gut erpressbar machen können.

Nichts bleibt geheim

Die kommerziellen und staatlichen Spione können einiges über die Lieblingsfarben der Nutzer erfahren und kennen die Namen ihrer Haustiere. Sie wissen sogar, was sie zum Frühstück gegessen haben und welche Marke ihr Staubsauger hat. Bestimmt wissen sie mehr über manche Social Media-Nutzer als diese selbst.

All das gehört zur universellen globalen Transparenz der Sozialen Medien. Diejenigen, die dabei leichtfertig mitmachen, nehmen das in Kauf. Wer am Ende eine solche "Mach-dich-nackt!-Plattform" betreibt spielt dabei auch keine Rolle mehr. Der chinesische Geheimdienst kann chinesische Plattformen genauso gut abschöpfen wie  amerikanische, europäische oder solche inTaka-Tuka-Land. Solange die Nutzer ihre Daten öffentlich ausbreiten sind sie selbst schuld.

Die Vorstellung, die Demokratien dieser Welt könnten großflächige Spionage autokratischer Regime unterbinden, indem sie deren Social-Media-Plattformen verbieten, ist jedenfalls unsinnig und naiv. Für den Schutz seiner Daten in den sozialen Netzen ist jeder Mensch in erster Linie selbst verantwortlich.

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen